Journalismus und die Schock-Bilder

Ein verstörendes Bild geht um die Welt: ein kleiner Flüchtlingsjunge liegt mit dem Gesicht nach unten an der türkischen Küste. Einige Medien haben sich entschieden, das Foto zu zeigen, andere nicht. Eine Möglichkeit wurde dabei vergessen.

Es ist ein Foto mit unglaublicher Symbolkraft, wie es die «Zeit» beschreibt. Doch mit der Veröffentlichung dieses Bildes flammt wieder eine Diskussion auf, die oft im Umfeld von Katastrophen anzutreffen ist: Darf man das publizieren?

Besonders delikat ist das Foto aus zwei Gründen: Es zeigt einen Toten und dazu noch ein Kind. In der Schweiz kann man die «Rechte und Pflichten» des Schweizer Presserates befragen. Etwa die Richtlinie 8.3 – Opferschutz hat hier Gewicht:

«Autorinnen und Autoren von Berichten über dramatische Ereignisse oder Gewalt müssen immer sorgfältig zwischen dem Recht der Öffentlichkeit auf Information und den Interessen der Opfer und der Betroffenen abwägen. Journalistinnen und Journalisten sind sensationelle Darstellungen untersagt, welche Menschen zu blossen Objekten degradieren. Als sensationell gilt insbesondere die Darstellung von Sterbenden, Leidenden und Leichen, wenn die Darstellung in Text und Bild hinsichtlich detailgetreuer Beschreibung sowie Dauer und Grösse der Einstellungen die Grenze des durch das legitime Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit Gerechtfertigten übersteigt.»

Nun kann man sich streiten, ob das Bild dieses Jungen ihn zu einem Objekt heruntersetzt oder ob es ein «legitimes Informationsbedürfnis» befriedigt. Der britische «Guardian» hat sich für eine Publikation entschieden, aber die Diskussion offenbar in der Redaktion geführt:

Die Journalistin Heike Ross hat sich gestern dezidiert für eine Publikation ausgesprochen: «Es gehört zur Aufgabe von Journalismus, die Seelenruhe von Lesern zu stören. Unbequem ist das und schwer erträglich; auch für Journalisten.» Doch es gibt auch andere Stimmen wie die von Stefan Plöchinger, Digitalchef bei der «Süddeutschen»:

Was in der Diskussion leider vergessen ging, ist die Tatsache, auf die der Schweizer Journalist David Bauer hinwies:

Die Diskussion «Zeigen vs. nicht zeigen» beschränkt sich tatsächlich auf den Printjournalismus. Doch die digitalen Kanäle bieten die Möglichkeit, die Entscheidung, ob man das Foto sehen möchte oder nicht, den Lesern zu überlassen. Das ist auch die technische Lösung, verantwortungsvollen Journalismus zu machen, der nichts auslässt, aber auch auf billigen Voyeurismus und beim sensiblen Rezipienten keinen Schock auslöst.

Die Click-To-View-Variante wird bzw. wurde bereits umgesetzt, beispielsweise beim Anschlag auf den Boston Marathon.