Konstruktiver Journalismus ist Unsinn

Landauf, landab wird nun «konstruktiver Journalismus» nach Ulrik Haagerup propagiert. Doch kann das die Lösung sein?

Es rollt wieder einmal ein Schlagwort auf unseren Berufsstand zu. «Konstruktiver Journalismus» ist das Gebot der Stunde. Nicht über Probleme und Dysfunktionen wollen Medienkonsumenten informiert werden, sondern über Lösungsansätze, welche die Gesellschaft weiterbringen. Good News statt Bad News ist das neue Mantra, auch in der Schweiz nachgebetet frei nach Ulrik Haagerup, Nachrichtenchef des Dänischen Rundfunks DR und Vordenker des «konstruktiven Journalismus».

Mit Verlaub, das ist Unsinn! Es baut auf dem populistischen Klischee auf, dass Medien vor allem destruktiv berichten und am liebsten alles niederreissen möchten. Dieses Vorurteil wird auch durch ständige Wiederholung nicht wahrer. Eine Geschichte ist nicht darum gut, weil sie «Good News» verbreitet, genauso wenig, weil sie «Bad News» beinhaltet. Eine Geschichte ist dann gut, wenn sie in irgendeiner Weise relevant ist, der Leser etwas Neues und für ihn Wichtiges erfährt und im besten Fall auch unterhaltend ist.

Die Idee, gezielt «konstruktiven Journalismus» zu betreiben, ist nun aber nicht nur dumm, sondern geradezu gefährlich für die Unabhängigkeit unseres Berufs. Erstens weil sie, wie jede inhaltliche Vorgabe, dazu angetan ist, eine Art von Selbstzensur aufzubauen. Angeblich Unpassendes lässt sie nicht durch und verleitet letztlich, wie jede Barriere im Kopf, zu Denkfaulheit. Und zweitens weil wir als «konstruktive» Journalisten und Journalistinnen schleichend von Beobachtern zu Akteuren würden und als solche nicht mehr unvoreingenommen berichten können – weder über das Gute noch über das Schlechte in dieser Welt.

Ich denke, wir Journalistinnen und Journalisten sollten weiterhin in möglichst grosser Unabhängigkeit arbeiten und uns nicht von kruden Konzepten beeindrucken lassen.