Bald alles gratis?

Dass alle Zeitungen in Zukunft gratis angeboten werden, denken weder Wissenschafter noch die Verantwortlichen von Ringier, Axel Springer Schweiz oder Tamedia. Im Gegenteil: Gut möglich, dass es in ein paar Jahren höchstens noch zwei Gratiszeitungen geben wird.

Am 7. «Communication Summit» fanden sich am Dienstagabend im Auditorium Maximum an der ETH Zürich 190 Gäste ein. Alle wollten der Diskussion über die Zukunft der Printmedien lauschen. Keynote-Sprecher war Martin Kall, CEO Tamedia. Unter der Führung von Reto Lipp, dem Moderator der Wirtschaftssendung ECO des Schweizer Fernsehens, diskutierten Ralph Büchi, CEO Springer Schweiz, Martin Eppler, Professor für Kommunikations- und Informationsmanagement an der Universität Lugano, Karin Müller, Kommunikationsberaterin und Daniel Pillard, Chef Ringier Schweiz.  –> hier geht’s zu den Bildern…

Die Bezahlzeitungen sind in der Defensive. Die Auflagen der Qualitätszeitungen gehen unaufhaltsam zurück. Die Leserinnen und Leser wandern zu Gratiszeitungen ab. Selbst die Verleger denken öffentlich über das Ende der traditionellen Tageszeitung nach. Einzige Lichtblicke in der Medienbranche sind zurzeit die Sonntagsblätter und die Gratiszeitungen. Doch auch diese dürften nicht bis zur nächsten Alpenfaltung überleben. «Am Schluss wird es noch zwei Gratiszeitungen geben», sagte Ringier-Mann Daniel Pillard. Er sprach notabene von den Gratistiteln am Morgen. Am Abend müsse man sich noch beweisen. Hier gelte «work in progress». Auch Wissenschafter Martin Eppler sieht nur gerade zwei Gratiszeitungen überleben: «Mir tun jetzt schon die Journalisten leid.»

In den Augen von Tamedia-Chef Martin Kall wird der Gratiszeitungskampf noch drei bis vier Jahre dauern. Im Auditorium Maximum gab der Deutsche auch das Versprechen ab, dass «News», die jüngste Schweizer Gratiszeitung aus dem Hause Tamedia, noch existieren werde, wenn es Sacha Wigdorovits’ «.ch» schon nicht mehr gebe. Aber nicht nur für die Gratisblätter malte Kall schwarz: «Auch die Anzahl der Bezahlzeitungen wird zurückgehen», prognostizierte er.

Axel-Springer-Schweiz-Mann Ralph Büchi (neben Reto Lipp links im Bild) ist überzeugt, dass es in der Schweiz nur Platz für eine Gratiszeitung habe. Büchi, der sich nicht eben als Fan von Gratiszeitungen outete, sagte, dass man «verdammt» aufpassen müsse, dass Leser und Werber nicht das Gefühl bekommen würden, dass alles gratis sei. Eppler unterstütze Büchi und hielt fest, dass es eine grosse Herausforderung sei der heutigen jungen Generation zu vermitteln, dass News eben einen Wert habe.

Auch bei den Sonntagszeitungen würden wir über der Sättigungsgrenze liegen, meinte Kommunikations-Professor Martin Eppler.

Die Anforderungen für Journalistinnen und Journalisten werden steigen. «Der Druck wird zunehmen: Journalisten müssen immer multimedialer werden», so Eppler über die Zukunft, die mehr und mehr Herausforderungen für unseren Berufsstand bereithält. Die Devise von morgen lautet: aktueller, schneller und visueller! (pv.ch)


Gefragter Martin Kall (Alle Bilder von Felix Aeberli, ZPV)

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