Bratbutter, beliebig breit aufgetragen

Die Kundschaft der Migros lacht sich angeblich „halb tot“ über einen „peinlichen Übersetzungsfehler“ auf einer Bratbutter-Verpackung. Behauptet die renommierte Neue Zürcher Zeitung.

Screenshot nzz.ch

Medienkritiker? Das sind doch Leute, die mit hocherhobenem Zeigefinger und dem Rotstift in der Hand Tippfehler von Journalisten anstreichen, die sich in der Eile ereignet haben. Solche Leute kann und muss man nicht ernstnehmen – ja, genau sowas glauben nicht wenige Journalisten.

Völlig anders ist die Lage natürlich, wenn die Migros einen Fehler macht. Darauf macht dann der Chefredaktor der wichtigsten Schweizer Zeitung aufmerksam:

Und der Chefredaktor der Zeitschriftenbeilage der NZZ, dem Folio:

Es handelt sich um einen kleinen und durchaus lustigen Übersetzungsfehler der Migros bzw. einem ihrer Zulieferer. Man darf auch als Chefredaktor darauf hinweisen, klar. Und klar hätte dieser Fehler so natürlich nie passieren dürfen. Aber ist das nicht mit allen Fehlern so, sogar denen, die in der Zeitung stehen und x-fach gedruckt werden?

Kommen wir zur journalistischen Relevanz: Wie ist es möglich, dass ich diese bunte Geschichte zuerst von der wichtigsten Zeitung der Schweiz erfahren habe, die mir angeblich sagt, was wirklich wichtig ist auf der Welt und was nicht so? Ich persönlich bin ganz der Meinung von Tin Fischer, der twittert:

Natürlich darf die NZZ Storys bringen, die zum Schmunzeln einladen. Aber schliesst man denn nicht auch deshalb ein NZZ-Abo ab, weil man von all den banalen Storys, die täglich hochgekocht werden, verschont bleiben möchte?

Eine wirklich gute Story ist es jedenfalls für die Migros, einen der besten Werbekunden der Schweizer Printmedien. Einen lustigen Druckfehler wird ihr niemand übel nehmen. Sie kann nun öffentlichwirksam den Kopf hängen lassen und traurig verkünden, dass halt niemand perfekt ist.

Als frühsten Hinweis auf den Fehler habe ich diesen Tweet hier gefunden. Zitiert wurde er nicht – allerdings ist es gut möglich, dass es schon frühere Quellen dazu gab.

„24 heures“ war sich jedenfalls nicht zu schade, diesen Tweet, also die mutmassliche Quelle, in den Beitrag einzubinden.

Medien werden nicht sterben an der zu grossen Konkurrenz. Medien werden sterben, weil sie, um ein paar Klicks und Shares abzugreifen, alle das machen, was Klicks und Shares bringt. „Tod durch Beliebigkeit“ wird einst stehen in den Obduktionsberichten.

Die Story auf nzz.ch hat bisher zu über 2000 Likes geführt und zu fast 100 Tweets.