Die Kannibalen wetzen die Messer

Gemeinsam mit Baz und BZ lanciert Tamedia auf Ende Jahr die dannzumal fünfte Gratiszeitung des Landes, die sich unter dem originellen Namen „News“ an ein urbanes, junges Publikum richtet. Zusammen mit einem Online-Ableger sollen mehr als 70 neue Stellen geschaffen worden. Juniorpartner und Baz-Verleger Matthias Hagemann sah bei der Vorstellung gar nicht glücklich aus.

Die neue Pendlerzeitung als Gratis-Ableger von Tagi, Baz und BZ soll im Dezember erstmals erscheinen. In einer Auflage von 330000 Exemplaren soll das 32-seitige Blatt via Boxen an das Pendlervolk vertrieben werden.

Im Gegensatz zu 20 Minuten wollen die Macher um Projektleiter Rolf Bollmann und Chefredaktor Philippe Pfister auf die reine Nachricht setzen, auf seichtes Beiwerk wie Life-Style-Rubriken oder deutende Elogen wie Kommentare und Kolumnen dagegen verzichten. Er wolle die „News“, welche für ein urbanes mobiles Publikum gemacht werden, „auf sensationellen Niveau“ präsentieren, kündigte Pfister an. 80% des Rohstoffs wird allerdings Agenturmaterial sein, simples copy & paste soll es aber nicht geben.

Ab Frühjahr 2008 wird das gedruckte „News“ zudem durch eine nationale Online-Newsplattform ergänzt, für das ein Chefredaktor noch gesucht wird. Projektleiter Online ist Res Strehle. Zeitung und News-Seite werden auf „relevante Nachrichten für gut gebildete und interessierte Leserinnen und Leser zwischen 20 und 49 Jahren“ setzen, versprach Charles von Graffenried, VR-Präsident der Espace Media Groupe, bei der Präsentation vor zahlreichen Medienjournis in Zürich, die übrigens aus Rücksicht auf Baz-Hagemann auf neutralem Gelände im Neumarkt stattfand.

An der gemeinsamen AG wird Tamedia 75%, die Baz 25% halten. Hagemann betonte an der Pressekonferenz, dass mit News ein „gewollter Imagetransfer“ in Gang komme, die Namen der Mutterblätter stünden für Qualität. Dass es damit den Kaufzeitungen langsam aber sicher an den Kragen geht, nehmen die Verleger bewusst in Kauf. „Eine Kannibalisierung ist nicht zu vermeiden“, meinte Rolf Bollmannn. Tamedia-Präsident Pietro Supino ging sogar noch weiter, und meinte, die interne Konkurrenz um die Aufmerksamkeit der Leute sei „unser eigentliches Geschäft“.

 Klar gemacht haben sie mit dem Wetzen der Messer, dass man das Feld nicht allein der anderen Neugründung „.ch“ überlassen wird, die am 16.9. an den Start geht. Den zusätzlichen Inseratekuchen wollen sich die Verlagsmanager nicht entgehen lassen, Werbekunden sollen mit einem „freiwilligen Zwangskombi“ angebunden werden.Ob die Verlage auch dann noch zu ihrem neuen Baby stehen werden, wenn die Konkurrenz das Feld räumt, blieb offen. Graffenried bezeichnete es als „Experiment“. 
 
Die News werden weitgehend in Zürich produziert, an den freigewordenen Facts-Pulten. 35 Vollstellen im Print bietet Chefredaktor Pfister, in der Online-Abteilung sollen weitere 43 neue Vollzeitstellen geschaffen werden. Verpflichtet sind bereits Rolf Hürzeler, Ruth Cipriani, Christian Maurer, Joel Widmer und Stefan Regez.

Beim Tagi, wo derzeit die guten Leute abgeworben werden, sieht man der neuen Konkurrenz mit gemischten Gefühlen entgegen. Zumindest fürs nächste Jahr bleibt das Budget noch gleich. Einer der Geschäftsleitungsmitglieder liess aber durchblicken, dass man mittelfristig mit einer Halbierung der Leserzahlen des TA rechne. Wird dann das redaktionelle Angebot heruntergefahren, dürfte sich die Abwärtsspirale schnell drehen. (pv.ch)