Ein Traum wird wahr

Der Text-Roboter wird es richten. Was in der Sportberichterstattung schon funktioniert, wird bald auch andere Sparten erreichen: vollautomatische Meldungen zu Firmenabschlüssen und Börsenberichte sind als nächstes dran.

«Die größte denkbare Kränkung des Journalistenethos steht bevor: Journalismus ohne Journalisten. Das Computerprogramm ‚Stat Monkey” kann Spielberichte so gut wie eilige Sportjournalisten produzieren. Es zeigt: Auch “Qualitätsjournalismus” geht häufig nicht über das Baukastenschema hinaus», schreibt Jürgen Kalwa bei carta.info.

Erstaunliche Resultate
Tatsächlich liefert der von Studenten an der Northwestern University in Chicago entwickelte Textroboter erstaunliche Resultate – vorerst nur in der Sportberichterstattung. Das Programm heisst «Stat Monkey» – Statistik-Affe. Es arbeitet – ähnlich wie der Analyseabläufe in Schachcomputern – in Varianten. Die Qualität der Texte sei «ganz bemerkenswert», findet Kalwa. Sie seien so gut wie das, was eilige Sportjournalisten unter dem Termindruck einer aktuellen Berichterstattung produzieren.

Zunächst widmeten sich die Studenten dem in den USA populären Baseball, einer Sportart, die traditionell eine enorme Dichte statistischer Detailinformationen produziert. Die Daten wiederum bilden das Gerüst für das Material, das vom Computer zu kohärenten Einschätzungen des Geschehens umgetextet werden kann. Die Resultate sind nicht nur lesbar, sondern durchaus sinnig geschrieben. Selbst die New York Times zeigte sich beeindruckt.

Gewinner und Verlierer
Dass ein Programm den Sportreportern das Wasser reichen kann, liegt zum einen am vorhandenen Ausgangsmaterial, aber auch «an der limitierten und standardisierten Art und Weise» von Sportberichten». Die Studenten haben wie Jürgen Kalwa erkannt, dass «in den Köpfen der klassischen Sportjournalisten nicht mehr als ein Baukastenschema existiert». Der Stoff werde nach Merkmalen wie Gewinner und Verlierer, Favorit und Aussenseiter, Erwartungen und Überraschungen und anderen Denkschablonen abklopft und dann «in Form einer immer gleichen Litanei, gespickt mit statistischen Infos, in ein im Grunde austauschbares Stück Prosa verwandelt».

Basis für Agenturarbeit
Da System lässt sich auf fast alle Sportarten anzuwenden. Die Stat-Monkey-Entwickler sehen Chance aber auch im Wirtschaftsjournalismus, wo bei der Berichterstattung über Börsenkurse oder Gewinn- oder Verlustnachrichten von Aktiengesellschaften ein ähnlicher Bedarf besteht wie im Sport. Wann das ganze in die Praxis vor allem der Agenturarbeit umgesetzt werden könnte, steht noch nicht fest.

Nur soviel kann man mit Sicherheit behaupten: Es wird kommen. Der Kostendruck in den Medien wird schon dafür sorgen. Wer solange nicht warten will, nehme die deutschen Textbausteine des Umblätterers, mit denen sich wunderbar druckfähige Gebrauchsprosa verfassen lässt. (pv.ch)

via 6 vor 9 vom Ronnie Grob und carta.infoRoboter.jpg