Karin Wenger, die 26-jährige NZZ-Journalistin ist kurze Zeit zu Hause in Zürich, um den Journalistenpreis entgegenzunehmen. Sie schildert die Schikane bei der Ausreise aus dem Gazastreifen (pv.ch berichtete).
PV.CH: Wie geht es Ihnen eine knappe Woche nach dem Vorfall?
Wenger: Es ist ein grosser psychischer Stress gewesen. Jetzt aber habe ich mich erholt. Ich habe viele nette Anrufe erhalten.
Was war Ihre Aufgabe im Gazastreifen?
Ich bin dort 10 Tage herumgereist, um die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Bevölkerung zu recherchieren.
Und bei der Ausreise passierte es dann.
Im Check Point ist man von Stahl und Beton umgeben, ich ganz allein, oben steht ein Typ mit Gewehr, vor einem ein Scanner, sonst nur Kameras, Anweisungen kommen über Lautsprecher. Ich musste die Hose ausziehen und durch eine Maschine lassen. Nur in Unterhosen musste ich mit erhobenen Armen durch den Scanner gehen. Als ich die Hose wieder anhatte, liessen sie mich das noch zwei weitere Male wiederholen.
Wie war das für Sie?
Ich fühlte mich ohnmächtig und ausgeliefert. Es war eine klare Machtdemonstration der Israeli. Ich war müde und heulte, weil die Schikane nach eineinhalb anstrengenden Gazawochen noch die letzten Nerven kostete. In diesem Moment rief SF-Korrespondent André Marty auf mein Handy an. Er intervenierte dann bei den Soldaten vor Ort sowie beim Verteidigungsministerium.
So etwas ist anderen Schweizer Medienschaffenden auch schon passiert. Rechnet man nicht einfach mit solchen Schikanen?
Anderen Schweizer Journalisten ist schon Ähnliches passiert, aber bisher hat sich nie jemand getraut, etwas zu sagen. Natürlich ist Journalismus im Nahen Osten schwieriger als in Zürich. Doch gewisse Regeln müssen auch von Israel eingehalten werden. Der Scanner steht ja neu dort, genau dass man solche Prozeduren nicht mehr über sich ergehen lassen muss – und wenn, dann soll sich eine Frau vor einer Soldatin entkleiden müssen.
Kam von offizieller Seite schon eine Entschuldigung?
An mich persönlich bisher nicht, nur die allgemeine Verlautbarung vom Verteidigungsministerium.
Der Vorfall hat in der Branche grosses Echo gefunden.
Das hat mich überrascht. So geht davon jetzt ein Signal aus. Wenn die nämlich schon mit uns so umgehen, wie gehen sie dann mit den Leuten um, die dort leben und keinen Presseausweis oder Schweizer Pass haben. Der Vorfall hat mich in dieser Hinsicht noch nachdenklicher gemacht.
Karin Wenger wird kommende Woche wieder in den Gazastreifen reisen. Sie berichtet regelmässig für NZZ sowie ZU und schreibt ein Buch über die Region. (sut.)