Einschaltquote, O Brother, Where Art Thou?

Die Schweizer Fernsehlandschaft kommt seit drei Monaten ohne öffentliche Zuschauerzahlen und Marktanteile aus. Eine seltsame Stille begleitet den Blackout, nur ein leises Murren ist zu hören.

Screenshot srf.ch
Die aktuell aktuellsten Zuschauerzahlen von SRF1, Screenshot srf.ch/medien/publikumszahlen

Die Mediennachrichten-Website „Meedia“ schien es vor zwei Wochen fast nicht glauben zu können. Im Beitrag „11 Stunden verspätet: Die Quoten sind da“ schrieb Jens Schröder:

Kaum zu glauben, aber wahr: Sie sind doch noch da! Mit elf Stunden Verspätung hat die GfK nach großen technischen Problemen am Freitagabend um 19.30 Uhr doch noch die TV-Quoten vom Donnerstag veröffentlicht. So spektakulär diese Verspätung ist, so unspektakulär sind die Daten selbst.

11 Stunden Verspätung! Spektakulär!

Bei den Schweizer Quoten sind es nun schon 2100 Stunden Verspätung (wenn dieser Zeitrechner hier richtig rechnet) – seit dem 1.1.2013 sind der Öffentlichkeit keine Quoten bekannt.

Anfänglich reagierte man mit Verwunderung und Unverständnis, später auch mit Verärgerung. Inzwischen scheint sich eine unwirkliche Gleichgültigkeit über die Tatsache gelegt zu haben, dass die Schweiz derzeit über keine Einschaltquoten und Marktanteile verfügt.

Nun sieht sich sogar schon die NZZ gezwungen, die neuesten Entwicklungen einigermassen dramatisch zu betiteln. „Völliges Blackout in der TV-Branche“ ist der Beitrag vom 28. März überschrieben. Darin heisst es:

Die Stiftung Mediapulse, unter deren Dach die für die Werbevermittlung wichtigen Einschaltquoten ermittelt werden, kann ab sofort keine Daten mehr herausgeben. Bis anhin hatten die Veranstalter und die Vermarkter die Zahlen informell erhalten. Das geht nun nicht mehr, weil am Mittwoch gegen Mediapulse eine superprovisorische Verfügung erwirkt wurde. Nico Gurtner, Kommunikationschef von Mediapulse, bestätigte auf Anfrage diese Information. Als Folge davon dürfen Akteure, welche keiner Geheimhaltungspflicht unterstehen, nicht mehr informiert werden.

Vielleicht ist es die gutmütige schweizerische Kompromissbereitschaft, die dazu führt, dass der unglaubliche Totalausfall lediglich mit etwas Murren hingenommen wird. Und zwar auf breiter Ebene.

Wie würde wohl ein ähnliches Versagen in Deutschland hingenommen werden? Ich kann es mir gar nicht recht vorstellen: wem auch immer ich davon erzähle, dass in der Schweiz seit Anfang Jahr keine Einschaltquoten öffentlich verfügbar sind, staunt nur offenen Mundes.