Einsichten aus dem Tierreich

Von Jägern, Füchsen und Hasen berichtet uns das Urgestein Karl Lüönd. Irgendwann meiden auch alte Hasen wie er das weite Feld mit all seinen Gefahren, und zeigen sich doch gerne hin und wieder, um der Hasenfamilie, ihren Häschern und dem Nachwuchs ein paar Ratschläge auf den Weg mitzugeben. Der langjährige Leiter des Medieninstituts, das als Veranstalter der Dreikönigstagung des Verbands Schweizer Presse die Branchenvertreter um sich scharte, schrieb unserer Zunft Deftiges ins Stammbuch:

„Die Wildbiologie unterscheidet zwei Sorten von Wildtieren: Kulturflüchter und Kulturfolger. Als Kulturfolger werden Tierarten bezeichnet, die in der künstlich veränderten Kulturlandschaft bessere Lebensbedingungen vorfinden als in ihren ursprünglichen Biotopen. Kulturfolger zeichnen sich durch hohe Anpassungsfähigkeit aus. Ein typischer Vertreter dieser Gattung ist der Fuchs.

Kulturflüchter dagegen sind Arten, die gegenüber plötzlichen Veränderungen ihres Biotops aufgrund ihrer geringen Anpassungsfähigkeit empfindlich reagieren oder infolge der Konkurrenz der Kulturfolger sogar aus der Landschaft verschwinden. Ein typischer Kulturflüchter ist die gefährdetste unter den populären einheimischen Wildarten, der Feldhase.

Im Medienwald (…) treffen wir auf Marktfolger und Marktflüchter. Interessanterweise verläuft die Scheidelinie ziemlich genau entlang der alten Grenze zwischen den beiden Menschengattungen, die unser Geschäft beleben: den Buchstabenmenschen und den Zahlenmenschen. Sie können sie auch Journalisten und Verlagsmanager nennen.

Die Mehrheit der Journalisten zähle ich zu den Feldhasen der Medienlandschaft. Die Art ist gefährdet – nicht in ihrem zahlenmässigen Bestand, aber in ihrer inneren Befindlichkeit. Das Problem ist, kurz gesagt: Viele, zu viele sehen sich selbst grundsätzlich anders, als der Markt sie braucht. Sie haben noch nicht gemerkt (oder schlimmer: gemerkt, aber noch nicht akzeptiert), dass sie Teil eines industriellen Systems sind und dass ihre inhaltliche Mission nur marktfähig ist, wenn sie sich mit den Bedingungen der Technik und des Marketings koordiniert. Diese Bereitschaft vermisse ich. Der Widerstand drückt sich vor allem dort aus, wo es die Marktleistung von Journalisten objektiviert und gemessen werden soll. Dass es (…) noch keine ISO-Zertifizierung von Redaktionen gibt, passt auch in dieses Bild von den Markt- oder Kulturflüchtern.

Die Schweizer Jäger sind barmherzig mit ihren Feldhasen. In der meisten Kantonen gilt seit Jahren ein freiwilliger Jagdverzicht. Nach allem, was ich heute gehört habe, bin ich nicht so sicher, dass diese noble weidmännische Haltung auch im Medienwald erwartet werden kann.“ Danke Kari, wir werden in Deckung gehen, sobald es raschelt! (pv.ch)