Erinnert an die Bluewin-Homepage

Was Leserinnen und Experten zum neuen Tagi-Layout meinen.

Der Tagi selbst, sein halber Chefredaktor Markus Eisenhut wird ins Call-Center geschickt und hört die Vox-Populi:
„Die einen finden den Tagi ‚besser als die NZZ‘, die anderen kündigen ihr Abonnement. Ein Anrufer kritisiert, er finde sich in der neuen Zeitung nicht mehr zurecht. Die Orientierung sei schlechter als vorher. ‚Vielleicht brauchen Sie noch ein bisschen Zeit, um sich daran zu gewöhnen?‘ fragt Eisenhut. Ein Tagi-Fan erzählt, er verbringe jeweils den ganzen Vormittag mit Zeitunglesen.“

Peter Rothenbühler aus Lausanne:
„Man kann nicht ‚mehr Analyse‘, ‚mehr Eigenleistung‘ und ’setzen von Schwerpunkten‘ predigen und das einzige Element, das auf Seite eins eine journalistische Visage hat, den Kommentar, wegnehmen. Es bleiben dann eigentlich auf dieser Seite eins nur noch Nachrichten und ein Bild. Das ist doch genau das, was ich auf der Bluewin-Homepage auch habe. … Ich verstehe schon, dass die Redaktion nicht mit dem Zwang leben will, zum Aufmacherthema der Eins einen Kommentar zu schreiben, aber der Leser hat es geschätzt, gerade dies hat der Zeitung eine gewisse Einmaligkeit gegeben. …

Beim Frühstück:
„Grauenhaft, die vielen Trauerbalken über den Titeln, ein einziges Todesinserat. Und wo ist eigentlich die Wetterseite? Hast du auch schwarze Finger bekommen? Lauter Ein-Themen-Seiten, da hab ich keine zeit für, kaum noch Kurzfutter.“

Die NZZ (mit SDA):
„Die Leser selbst beurteilten am frühen Dienstagmorgen auf Tages-Anzeiger Online ihre Zeitung etwas häufiger negativ als positiv. Kritische Stimmen melden bei der Neugestaltung einer Zeitung aber grundsätzlich häufiger als mit der Umstellung zufriedene Leser. Es handelt sich um die erste umfassende Neugestaltung des ‚Tagi‘ seit 1997.“

Karl Lüönd, Publizist
„Soviel Neues – im Sinne von Innovation – sehe ich nicht. Der Reformstau und damit das Gefälle zwischen Alt und Neu waren halt nicht so gross wie bei der NZZ. Die neue Titelschrift war überfällig; die alte hat mich jeden Tag geärgert. Das Layout ist aufgeräumt, mit dem Weissraum wird ein bisschen Spannung erzeugt. Wie bei der NZZ werden wenige, aber grosse Bilder eingesetzt. Sauberes Handwerk, nicht mehr – aber auch nicht weniger!“

Der andere halbe Chefrdaktor Res Strehle:
„Allzu viele Kolleginnen und Kollegen arbeiteten von heute auf morgen. Sechs, sieben Stunden reichen aber in der Regel nicht, um über das Übliche hinaus nachzudenken. Ich stelle mir vor, dass künftig vielleicht noch rund die Hälfte der Redaktion tagesaktuell arbeitet. Damit decken wir das Pflichtprogramm ab. Die andere Hälfte arbeitet in einer Geschwindigkeit, welche zwei, drei Tage Recherche und Analyse erlauben. Daraus ergibt sich dann die Kür.“

Und noch mal Rothenbühler:
„Ich hab jetzt den Tagi noch kurz neben die neue NZZ gelegt. Und es wurde mir fast schwindlig: die beiden sehen sich – von Lausanne aus gesehen – immer ähnlicher. Beide haben nur minimale Veränderungen vorgenommen, beide halten am sehr vom Deutschen inspirierten Konservatismus des Zeitungsdesigns fest. Warum? Da fahren doch zwei riesige Schiffe voll aufeinander zu. Noch eine Reform auf beiden Seiten, und man kann sie fusionieren.“ (pv.ch)neuer_tagi.jpg