Fast alle beleidigt

Der Nachwuchspreis für Maurice Thiriet – und wer alles daran Anteil hat.

Screenshot "Blick am Abend"

Endlich mal wieder eine Debatte, wo die halbe Blogger-Deutschschweiz etwas zu melden hat. Und leider merkt man dann auch immer wieder, wie klein er doch ist, der Online-Debattenraum der Deutschschweiz. Und dass sich ein Grossteil der etablierten Journalisten auch 2011 noch nicht daran beteiligen.

Worum geht’s? Maurice Thiriet, Mitarbeiter des „Tages-Anzeigers“, wurde mit dem Zürcher Journalistenpreis ausgezeichnet. Das bedeutet nicht nur etwas Ehre, sondern auch satte 10000 Franken. Ich mag sie Maurice Thiriet gönnen, da ich schon viele spannende Storys von ihm gelesen habe – er ist ganz offensichtlich ein Reporter, der was tut in der Arbeitszeit, der rumtelefoniert, recherchiert, auf die Strasse geht – und am Schluss stehen da Geschichten, die er hat, andere aber nicht.

Allerdings: Dass einem 31-Jährigen der Preis in der Kategorie „Nachwuchs“ verliehen wird, zeigt, wie alt diese Branche geworden ist. Und tatsächlich, ich wüsste auch nicht, wer denn sonst in dieser Kategorie auszuzeichnen wäre. Jungen Journalisten wird in den Verlagen einfach viel zu wenig Verantwortung übertragen. Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass es nicht gerade viele junge Journalisten gibt, die besonders ehrgeizig oder auffällig gut sind.

Allerdings II: Zwar hat die Burtscher-Story grosse Wellen geschlagen und sicher ist da einiges an solider Recherche seitens von Thiriet dran. Nicht vergessen dabei sollte man, dass das Objekt der Berichterstattung alles andere als zufrieden damit war, sich ungerecht behandelt fühlte und eine Ehrverletzungsklage einreichte. Das ist zwar aus journalistischer Sicht nicht wichtig, aber es geht auch etwas um die Relationen. Es handelt sich bei Frau Burtscher vor allem um eine Physiklehrerin mit einem grossen Traum. Fahrlässig aufgeblasen haben diesen Traum Journalisten der „Schweizer Illustrierten“, von Blick.ch oder 20min.ch, die für eine Story mit guten Bildern einer jungen Frau auf das Prüfen der Fakten verzichtet haben (Zusammenfassung hier). Dieser Preis ist nicht nur ein Preis für Thiriet, sondern auch so etwas wie eine Goldene Himbeere für diese Journis.

Allerdings III: Dass das kleine Infamy-Blog ein Stück des Aufdeckungs-Kuchens beansprucht, ist absolut nachvollziehbar (siehe diese Story und die Kommentare dazu). Die Blogger als feige einzuschätzen, weil sie sich selbst nicht auf einen Rechtsstreit einlassen wollten, ist unangemessen. Wiederum ist es richtig, dass der „Tages-Anzeiger“ dieses Risiko übernommen hat – denn so ein Medium verfügt, anders als ein kleines Grüppchen von Bloggern, über eine Rechtsabteilung, die mit einer eventuellen Klage zurecht kommt.

Die Auseinandersetzung zwischen Preisträger Thiriet und Blogger Tschudin hat Philippe Welti zusammengefasst. Er urteilt zum Schluss:

Maurice Thiriet hat mir seiner verletzenden Äusserung einen Bock geschossen. Würden Sie Ihn noch auf eine „Story“ aufmerksam machen?

Dass nun alle so ein bisschen beleidigt sind, legt sich sicher bald wieder, eine Runde Bier von Thiriet könnte Wunder wirken, ein paar Franken hat er nun ja zur Verfügung… Ich zum Beispiel könnte es unheimlich ungerecht finden, dass mein „gelungenes Wortspiel“ „Fastronautin“ (das schreibt Bobby California) so ganz ohne Quellenangabe vom „Blick am Abend“ in einer Bildlegende verwendet wurde (und zuvor von der „Süddeutschen Zeitung“ in einem Titel). Aber man weiss ja, dass Zeitungen kaum je was Gescheites in den Sinn kommt und sie jede geniale Idee von dahergelaufenen Bloggern ohne Angabe von Gründen verwerten – oder war es umgekehrt? Zur Strafe habe einen Screenshot davon hier als Artikelbild verwendet.

Fredy Gsteiger hat schon recht, wenn er feststellt, dass es halt am Ende Thiriet war, der die Story aufgeschrieben und publiziert hatte. Und Journalistenpreise gehen genau an solche. Und nicht an solche, die zwar etwas wissen, es sich aber nicht zu sagen / aufzuschreiben getrauen.

Und auch nicht an solche, die die Leistungen anderer zusammenfassen. Auch wenn das durchaus auch eine Leistung ist.

Nachtrag, 31. Mai 2011: Der Pöstler hat Patrik Tschudin ein Päckli gebracht. Mehr dazu im infamy-Blog.