Grenzerfahrungen

Die Titelseite ist heilig, das war einmal. Bei immer mehr Printtiteln sinkt die Schamgrenze ins Bodenlose. Wo liegen die Grenzen der Vermarktung?

Medienspiegler Martin Hitz ist entsetzt. Nun also auch das Tagi-Magi. Verkauft seinen schönen Titel an schnöde Werbetreibende. Die Leserschaft wird mit High Heels von Schuhmacher Jimmy Choo bezirzt, die dieser im Kleiderladen von H&M verramscht. Erst dann beginnt der eigentliche Inhalt.

Im Zeichen der Krise sei man beim „Magazin“ offenbar zu „allem bereit“, klagt der Kritiker der Niveauverlsut der sogenannten Qualitätsmedien. So etwas kannte man „sonst eher aus Gratiszeitungen und hätte darüber vor noch nicht allzu langer Zeit vermutlich die Nase gerümpft“, kommentiert Hitz die ungewohnte Anzeigenplatzierung.

H&M dürfte für den Coup einen Zuschlag auf die Annoncentarife der Tamedia bezahlt haben. Ob das aber den Glaubwürdigkeitsverlust aufwiegt? Dass der Raum für Inserate, der ja im Moment reichlich vorhanden ist, zunehmend die Inhalte bedrängt, zeigt sich an ungewöhnlichen Einschüben, die inzwischen auch die Tagespresse hinnehmen muss.

Die NZZ entzweit mit schweren Trauerbalken, die auf gefälligen Edelschmuck vom Juwelier hinweisen, ihre Seiten. Der Tagi kommt mit einem Morgengruss ganz in Schwarz, wenn Top-Kunde Swatch das so will. Und beim Blatt des Verlegerpräsidenten, der Südostschweiz klebt schon mal ein Manor-Kleber vorne drauf (das redaktionelle Gefälligkeits-Textlein dazu dann weiter hinten). Wer zahlt befiehlt. Und der nächste Schritt wird das Prinzip der Fachmagazine sein. Dort gilt seit je: Werbung nur gegen PR, sonst geht nichts. Code of Conduct hin oder her. (pv.ch)JimmyChoo.jpg

Posieren für Jimmy Choos Stiefel und Handtäschlein.