Hä?

Bei aller Kritik über den Verfall von Qualität bei den Zeitungen und Zeitschriften wird vergessen, dass Inhalte für viele Leute manchmal nur schwer verständlich sind. Das jedenfalls behauptet ein Artikel in der Zeitschrift „Saldo“. Begriffe wie „volatil“, „Hedgefonds“, „Plebiszit“, „Start-Ups“, „Shareholder Value“, „arabischer Frühling“, „Majorzsystem“ oder „Too big to fail“ seien vielen Lesern nicht geläufig.

Dass sich Leser von einer Lektüre, die sie nicht verstehen, irgendwann auf Nimmerwiedersehen verabschieden, leuchtet ein – eine Gefahr für die Medienindustrie. Wiederum sind versierte Leser von ständigen Erklärungen gelangweilt. Richtig, aber auch schwierig ist der Mittelweg, der seine Empfänger weder überfordert noch langweilt. Generell unverständliche Begriffe gehören auf jeden Fall nicht in die Texte – meistens gibt es einen Weg, den Lesern klar zu machen, was gemeint ist.

Im „Saldo“-Artikel heisst es:

Die Leserinnen und Leser wünschen sich einfachere Texte. Fast die Hälfte der Befragten gab an, dass sie mehr Artikel lesen würden, wenn sie weniger Fremdwörter fänden – oder wenn diese erklärt würden.

Am unverständlichsten schneidet in der „Saldo“-Umfrage übrigens die NZZ ab, vor dem „Tages-Anzeiger“. Vereinzelt genannt wurden „Handelszeitung“, „Beobachter“ und „Weltwoche“.

«Bei der NZZ ist es schon fast Pflicht, dass man nichts versteht»
(saldo.ch, kostenpflichtiger Artikel von Marc Mair-Noack und Sabine Rindlisbacher)

Eine Kopie des Artikels findet sich hier…

  1. Das Thema ist gut. Ich freue mich, wenn sich professionelle Texter (egal ob Werber oder Journis oder Autoren) damit auseinandersetzen, wie verständlich sie schreiben wollen und sollen. Was den Saldo-Artikel angeht, pflichte ich bugsierer bei. Was nützt es der Diskussion, wenn Saldo zur Beweisführung „Befragte“ zitiert, die angeblich mit der Lektüre der NZZ überfordert sind oder ein Fachwort in einem Wirtschaftsbericht nicht verstehen? Das wichtige Thema der Zielgruppe, das bugsierer angesprochen hat, wird im Artikel nicht berücksichtigt. Wahrscheinlich aus dem Grund, dass es die Geschichte obsolet, Entschuldigung, überflüssig, gemacht hätte.

  2. ich
    sag ja nichts gegen das thema, im gegenteil, als werbetexter bin ich
    damit jeden tag konfrontiert, und zwar weit heftiger als journis sich
    das vorstellen können.henusode
    – dieser artikel ist einfach nur ein dahingeschlenztes wischiwaschi.
    ein durchschnittlicher blick-leser muss die nzz nicht verstehen und die
    nzz muss nicht so schreiben, dass dieser es versteht. oder müsste man
    goethe und gotthelf umschreiben, nur weil der gemeine blick-leser diesen
    stoff nicht kapiert?natürlich
    kann man mit einfacherer sprache mehr leser erreichen, aber das ist
    nicht immer das primäre ziel. die nzz schreibt für ihre zielgruppe, der
    blick für seine. deshalb ist es müssig darüber zu lamentieren, dass
    gewisse zeitgenossen gewisse texte nicht verstehen. für gewisse sachen
    braucht es nun mal eine gewisse vorbildung. der gemeine nzz leser
    versteht wissenschaftliche texte über die quantenphysik auch nicht. dieses
    unqualifizierte gejammer in diesem schreienden titel gipfeln zu lassen «Bei der NZZ
    ist es schon fast Pflicht, dass man nichts versteht» ist doch nur noch
    polemisch, boulevardesk und fern jeder professionellen einschätzung. ob
    empfehlung oder nicht, immerhin wird hier ein pdf angeboten, mit dem
    die abstruse paywall dieser kuriosen publikation umgangen wird. wenn das
    keine empfehlung ist, was dann?

  3. @bugsierer: Also eine Empfehlung sieht anders aus. Aber grundsätzlich halte ich es schon für richtig, immer mal wieder an den Leser zu denken. Viele steigen tatsächlich aus dem Text aus, wenn sie auf Begriffe stossen, mit denen sie nichts anfangen können. Das lässt sich im Einzelfall manchmal leicht vermeiden.

  4. etwas unseriöseres und lächerlicheres in sachen umfragen hab ich noch kaum gesehen. 20 zufällig ausgewählte leute auf der strasse wurden mit 20 begriffen konfrontiert – mit kontext oder ohne? wo? vor einer migros in schwammendingen oder auf der uni terasse? unglaublich. warum wird solch unterirdischer journalismus hier empfohlen?

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