Hartes Gestühl

Der Swissair-Prozess bewegt die Gemüter, auch Jahre nach dem Grounding. Tagi-Autor Constantin Seibt hat mit spitzer Feder das langweilige Geschehen in der Turnhalle zu Bülach festgehalten. Nun erscheint seine Edel-Berichterstattung in Buchform.

Sechs lange Wochen hat der frühere WOZ-Journalist, heute im Dienste des «Tages-Anzeigers», über den Bülacher Strafprozess gegen die Führungsclique der gegroundeten Airline in Bülach berichtet. Auch Nicht-Aviatiker liessen sich von dem Luftfahrt-Laien die auf unterhaltsame Weise vermittelten Details aus dem nüchternen Gerichtssal gerne kolportieren. Seine Texte überragten den Schwall an Berichten, welche die zahlreichen Prozessbeobachter zu Papier brachten. „Anschaulich hat der Journalist immer wieder die Kargheit des Saals beschrieben, die harten Holzstühle, die improvisierten Lesepulte für die neunzehn Staranwälte – vor allem aber die langen, unendlich langen Stunden der nicht enden wollenden Plädoyers oder Befragungen, auf die es von fast allen Verwaltungsräten keine Antworten gab“, würdigt Brigitte Hürlimann in der NZZ das Werk.

Aus seinen Artiteln hat er nun, rechtzeitig vor der Urteilsverkündung, ein Buch gemacht. In den Kaufleuten-Saal hatte Tagi-Chef Peter Hartmeier zur Buchvernissage geladen, an der Seibt mit Ex-Miss-Swissair Beatrice Tschanz über die schönen Zeiten in Kloten und Bülach parlierten. O-Ton Hürlimann: „So gemütlich wie am Dienstagabend im Zürcher Kaufleuten-Saal war es in Bülach wahrlich nie gewesen zwischen dem 16. Januar und dem 29. März, als sich neunzehn Angeklagte wegen der Swissair-Pleite vor drei Strafrichtern und der Schweizer Öffentlichkeit verantworten mussten… Man hätte sich für den Gerichtsreporter eine angriffigere, streitlustige Gesprächspartnerin gewünscht und nicht eine, die in erster Linie das Buch in wärmsten Tönen lobt und überschwänglich empfiehlt, was gewiss ganz schmeichelhaft ist, aber keine Gesprächsrunde rettet.“

Das Buch ist im Echtzeit-Verlag, bei dem Journalisten die Verleger sind, erschienen. Sie porträtieren ihren Kollegen so: „Constantin Seibt, 41, ist heute Reporter beim Tages-Anzeiger. Mit 22 plante er zusammen mit einem Freund einen Bestseller und schrieb einen Krimi. Dieser wurde kein Bestseller – dafür boten plötzlich Zeitungen Geld fürs Schreiben. So landete er im Journalismus. Über Jahre schrieb er Kolumnen: für das «NZZ-Folio», das Magazin der «Basler Zeitung», die «Werbewoche» und die «Wochenzeitung» (WOZ). Bei dieser war er acht Jahre Redakteur in den Ressorts Politik und Wirtschaft. “

Und das ist der Klappentext: «Einen Augenblick herrschte Stille. Und dann passierte etwas, was in der grauen, toten Halle von Bülach nie für möglich gehalten worden wäre: Applaus brandete auf, minutenlanger Applaus. – Corti sass erschöpft da, so erschöpft wie alle nach sechs Wochen Prozess, sieben Stunden Plädoyer und dieser bewegenden Ansprache. Die Richter standen steif auf wie alte Männer, und die Journalisten gestanden sich, dass sie beinahe geweint hätten.» (pv.ch)

Der Swissair-Prozess, sechs Wochen lang, aufgezeichnet von Constantin Seibt. Mit Illustrationen von Gregory Gilbert-Lodge, Gebunden, 160 Seiten, SFr. 28.-, ISBN 978-3-905800-04-3. www.echtzeit.ch