Ein Kurzprotokoll vom Communication Summit 2010, das nicht alles erwähnt, und doch nichts verschweigt.
Communications Summit 2010
Gesagt ist gesagt – die besten Zitate vom ComSum 2010…Die Videoaufzeichnungen: Vorträge – Podiumsdiskussion
Die Fotos vom Anlass in unserer Diaschau…
Mehr Fotos (vom Apéro) in der zweiten Diashow…
Die Presse- und Blogschau mit weiteren Links…Als sollte ein Beweis für die Übersichtlichkeit der Zürcher Medienszene erbracht werden, steigt Ringier-Chef Marc Walder mit mir ins Tram ein. Zusammen fahren wir hoch zur ETH, Eierköpfe unter Wollmützen, und schauen auf den schon bald wieder weggeschmolzenen Schnee.
Es ruft das Auditorium Maximum der ETH – diskutiert werden soll der aktuelle Zustand der Medienbranche: “Schöne neue Medienwelt – ratlose Branche”, so der Titel der Veranstaltung, die der ZPV und die ZPRG nun schon seit Jahren und mit Erfolg organisieren. Doch nicht nur wir kommen, der Saal wird fast gefüllt von interessierten Journalisten und PR-Schaffenden, die etwas zu diesem täglich so drängenden Thema hören möchten.
Vor dem Anlass steht Walder im angeregten Gespräch mit einem der beiden “Spiegel”-Chefs, Mathias Müller von Blumencron. Erkundigt er sich, wie man Geld verdient mit Journalismus in diesem Internet? Immerhin hat MvB von 2000 bis 2008 “Spiegel Online” geführt und profitabel gemacht.
Die Podiumsgäste werden verkabelt und nehmen Platz auf weissen Designer-Sofas, die noch in voller Frische strahlen. Fotografen überall, sie wollen alle draufkriegen, in allen Varianten, in allen Positionen.
Der „Spiegel“-Chef – ein Teil-Schweizer
ZPV-Präsident David Strohm und ECO-Moderator Reto Lipp begrüssen die Gäste und erzählen gleich, dass es sich bei Matthias Müller von Blumencron wenigstens zum Teil um einen Schweizer handelt. Möge seine Stimme dem angeschlagenen Image der Schweiz zu helfen, hoffte Lipp.
Reto Lipp, beim Gebühren-finanzierten Schweizer Fernsehen angestellt, stellt ankündigend fest, dass die Medienwelt hierzulande zu Beginn 2010 ziemlich trist und trostlos aussieht. Er vergleicht die Einbrüche bei den Einnahmen mit der Maschinenindustrie. Nicht nur würden viele Leute glauben, dass die verlorenen Umsätze nie mehr zurückkehren, auch das zweite Bein hinke, nämlich die Einnahmen aus der Leserschaft.
10 Prozent der Leser gingen in der Schweiz während der letzten fünf Jahre verloren. Und dieser Prozess spitzte sich zu: Die Zeitungen in den USA etwa verlören 10 Prozent ihrer Leser – in nur einem Jahr. Verlage reagieren mit Kostensenkungsmassnahmen und Relaunches. Aufgrund von Pressemitteilungen, die er erhält, fragt sich Lipp, ob sich die PR-Branche noch in der Internet-Steinzeit befindet.
Gefährliche Bezahlschranken
Dann hält Mathias Müller von Blumencron seine Keynote, in er deutlich sagt, dass es “verdammt gefährlich” wäre, die Inhalte mit Bezahlschranken zu verbauen, denn: “Wenn wir uns jetzt falsch verhalten, werden wir das, was wir uns in den letzten Jahren aufgebaut haben, wieder verlieren.”
Die Diskussionsrunde beginnt, der vom Moderator als “ehemaliger Journalist” vorgestellte Kurt W. Zimmermann trägt seine gelb-schwarz-gestreifte Lieblingskrawatte und weist gleich darauf hin, dass die kostenlosen Inhalte eine “Geburtskrankheit des Internets” seien (eine Anmerkung dazu sei erlaubt: das ist keine Geburtskrankheit oder ein Geburtsfehler des Internets, nur ein Problem der Verlage).
Mediengewitter
Marc Walder bezeichnet das Internet als “einen rechtsfreien Raum”, eine offensichtliche Unwahrheit, die später vom Publikum dementiert wird. Auf die Frage, wie sehr Ringier vom Geschäftsmodell Journalismus abweichen wird, antwortet Marc Walder, die grossen Tageszeitungen und die Zeitschriften seien “eine wichtige Säule” für Ringier. Er betont, dass es Journalisten und Journalistinnen mehr denn je brauche: “Die Leute wollen eine Einordnung des Mediengewitters.” Gleichzeitig preist er die kürzlich eingekaufte Website geschenkidee.ch und fordert das Publikum auf, die Website zu besuchen. Hochprofitabel offenbar.
Als die Diskussion auf das Verhältnis zwischen Google und den Verlagen kommt, wehrt sich Walder vehement gegen den gängigen Meinungskonsens, das Verhältnis sei grundsätzlich gut. Die von Google verwendeten Inhalte der Verlage betreffend sagt er: “Es gibt einen gigantischen, lebenswichtigen Konflikt zwischen Google und den Verlagen.” Er verweist auf die Hamburger Erklärung und auf Rupert Murdoch, der bei diesem Vorgang von “Diebstahl” spreche. Verlage, die sich dagegen nicht wehren, würden ihre Hausaufgaben nicht machen. Er weist darauf hin, dass Google keine Inhalte aggregieren könne, wenn sie diese nicht von den Produzenten “stehle”. Google würde dann ein Geschäftsmodell fehlen.
Einfach vorbeikommen
Die Firma Google sei, wie nachher am Apéro gemunkelt wird, äusserst zentralistisch und “wie Scientology” organisiert. Sie ist in Form von Counrtry Manager Andreas Schönenberger anwesend, der sich bemüht um Ernsthaftigkeit und Korrektheit und lieber ein Wort zu wenig als zu viel sagt. Von einer freien Journalistin im Publikum wird er kritisiert, dass keine Ansprechspartner da seien, die helfen können bei Inhalten, die, obwohl längst gelöscht, noch immer im Google Cache zu finden seien. Schönenberger verweist auf die Brandschenkestrasse 110, den Sitz von Google Zürich. Sie möge doch einfach vorbeikommen.
Weltwoche-Medienkritiker Kurt „Zimmi“ Zimmermann war immerhin der einzige Votant, der zu provozieren wusste und – im Gegensatz zum Google-Mann – auch durfte. Als erstaunlich bewandert in Fragen der neuen Medien erwies sich Farner-Chef Christian König. Nicht mehr der Jüngste zwar aber doch nahezu auf der Höhe der Zeit: „Ich google Zeitung“, verkündete König.
Moderator Reto Lipp war ausgezeichnet informiert und vorbereitet. Beim abschliessenden Apéro riche wurde heftig weiterdiskutiert, die Podiumsteilnehmer in die Zange und in die Arme genommen. Man schwor sich, nächstes Jahr wieder – am Communication Summit 2011. (pv.ch/RG)
Spiegel-Chef Blumencron