Die Lancierung des neusten Apfel-Spielzeug wirft ein schräges Bild auf die Berichterstatter. Ein Insider hat die unkritische Meute in San Francisco beobachtet.
Der Jubel über ein einfaches Stück Elektronik ist schon seit Tagen unüberhörbar. Apple, die Kultfirma, die mit dem iPod die Musikindustrie revolutioniert haben soll, mit dem iPhone die Telekommunikation und mit ihren teuren Laptops die Szene der Kreativen, hat einen Tablet-Computer vorgestellt. Das Ding wird ein wenig mehr können als das gehypte Telefon, aber eine Revolution, die sich da ankündigt?
Warum verschaffen Medienschaffende rund um den Globus einer Firma Gratis-PR, die Millionen wert ist? Warum verlieren sie darüber seitenweise Worte, wohl formuliert und mit Superlativen gespickt? Warum klatschen die «Claqueure» selbst bei einer drögen Filialeröffnung? Warum wird der Apple-Steve derart in den Himmel gelobt, als sei der Heiland persönlich von dort hinabgestiegen?
Applaus und Jubel
Peter Sennhauser lebt seit 5 Jahren in San Francisco und berichtet für Schweizer Medien, was sich dort tut. Der Chefredaktor von Blogwerk kennt die Szene- Er war an mancher Produkt-Vorstellung dabei. Diese Woche sah er zu, wie Apple vor den Augen entzückter Medienleute sein Tablett präsentierte: «Was mich immer befremdet hat, war das Verhalten der Presseleute – meiner Kollegen und Kolleginnen. Wenn die auf eine der sorgfältig inszenierten Ankündigungen von Steve Jobs mit Applaus oder sogar Jubel reagierte, als ob gerade ein Impfstoff gegen Krebs und nicht die längst überfällige Korrektur an einem Produkt präsentiert worden wäre, dann lief es mir jedesmal kalt den Rücken runter».
Mit offenem Mund
Die Kollegen seien immerhin «Leute, die (grösstenteils) dafür bezahlt werden, kritisch zu denken, Dinge zu hinterfragen». Sie sollten, so das Berufsverständnis, die Vergangenheit im Kopf haben und die Relationen wahren. Sennhauser hat nichts gegen spontane Begeisterung. «Aber an einer Monster-Produktvorstellung geht es eigentlich darum, möglichst schnell hinter die Kulissen zu blicken. Das geht schlecht, wenn man mit offenem Mund jubelt und klatscht. Es hemmt den Blick für die Details und das Ohr für das, was nicht gesagt wird.»
Ohne Mass
Doch getitelt wird ohne jedes Mass «Eierlegende Wollmichsau», heisst es beim Tagi, « «Magisches und revolutionäres Produkt – Schöner surfen mit dem iPad» bei der NZZ,. «Revolution – Das Apple iPad ist da!», jubelt der Blick. Und warum? «Weil uns Journalisten die Panik in den Knochen sitzt», sagt Peter Sennhauser». Irgendwer habe uns weisgemacht, dass das Apple-Tablett das unterspülte Geschäftsmodell unserer Arbeitgeber, ja unserer ganze Branche und letztlich unserer Jobs retten werde. Er begründet dies stringent. Hier: http://netzwertig.com/2010/01/27/das-tablet-kommt-steve-jobs-als-messias-einer-branche/
(pv.ch)
Apple-Tablet, entworfen 1983