Mit seinem Interview mit dem Entführungsopfer Natascha Kampusch wurde er weltweit bekannt. Nun ist der österreichische Journalist in der Schweiz. Am nächsten Mittwoch liest er im Zürcher Volkshaus aus seinem Buch «(ein)geprägt» und spricht über den Prozess gegen Josef Fritzl. Diesmal haben wir den Kollegen interviewt.
In seinem ersten Buch portraitiert Christoph Feurstein Menschen, die geprägt wurden und die sich in seiner langen Karriere als Journalist eingeprägt haben. Im Buch schreibt der Journalist mit Jahrgang 1972 beispielsweise über Gerti Jones, der Österreicherin, die einen Todeskandidaten in den USA geheiratet hat und die der Autor über drei Jahre lang begleitet hat. Portraitiert wird in seinem Buch «(ein)geprägt» auch Denis Zequaj, der untertauchte, um seiner Abschiebung zu entgehen. Und natürlich berichtet Christoph Feuerstein auch über Natascha Kampusch, deren Familie er immer wieder besuchte in den acht Jahren ihres Bangens und Hoffens.
Im Jahr 2007 wurde der österreichische Journalist in Amerika mit dem Preis «CNN Journalist of the Year» ausgezeichnet. Den Preis erhielt er für seine journalistischen Leistungen im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den 20. Jahrestag von Tschernobyl und der Berichterstattung über das Entführungsopfer Natascha Kampusch.
Am Mittwoch, 18. März 2009 um 20 Uhr, findet im Blauen Saal des Volkshauses eine Buchlesung und Frage-Runde mit Christoph Feuerstein statt. Dort wird der Journalist auch über den am Montag, 16. März 2009, beginnenden Prozess gegen Josef Fritzl Auskunft geben. Hat sich Feuerstein als Journalist eingehend mit diesem Fall befasst.
Christoph Feuerstein, was bedeutet für Sie Journalismus?
Christoph Feuerstein: Journalismus bedeutet für mich auch dorthin zu blicken, wo es manchmal weh tut. Nicht in schwarz-weiss Kategorien zu denken, die Mechanismen in der Gesellschaft aufzuzeigen und die Gesellschaft auch mit in die Verantwortung zu nehmen.
In Ihrem Buch portraitieren Sie 10 Menschen. Es sind Opfer und Täter. Wie kam es zu diesen Portraits?
Der ueberreuterverlag hat mich gefragt, ob ich ein Buch schreiben möchte. Da habe ich den Vorschlag gemacht, über Menschen, die ich in meiner 16-jährigen Journalismuskarriere getroffen habe, zu schreiben. Es sind Menschen, die vom Schicksal in irgendeiner Form geprägt worden sind und sich deshalb einprägen, darum auch der Titel (ein)geprägt. All diese Geschichten haben auch mich geprägt und weitergebracht. Ich wurde oft gefragt, warum gerade ich Natascha Kampusch interviewt habe. Erstens habe ich den Fall sofort nach ihrem Verschwinden aufgegriffen, zweitens habe ich mich als Journalist immer mit dem Thema Opfer und Täter auseinandergesetzt. Alle Geschichten, die in diesem Buch niedergeschrieben sind, haben dazu geführt, dass ich dieses Interview auf diese Art und Weise führen konnte.
Wie unterscheiden sich die Opfer von den Tätern?
Das traurige ist ja, dass die meisten Täter selbst einmal Opfer waren und das zeigt auch den Weg, den wir gehen müssen: Wir müssen die Opfer ernst nehmen und ihnen rechtzeitig helfen, damit sie nicht auch irgendwann gegen sich selbst oder andere aggressiv werden. Mit gegen sich selbst aggressiv werden meine ich zum Beispiel auch Alkohol- oder Drogenmissbrauch.
Pflegen Sie heute irgendwelche Beziehungen zu den von Ihnen portraitierten Menschen?
Für mein Buch habe ich alle Portraitierten noch einmal getroffen. Alle haben sich sofort Bereit erklärt, mir zu helfen, da sie mir vertrauen. Es besteht ein gegenseitiger Respekt. Gleichzeitig wissen aber alle, dass ich Journalist bin und meine Arbeit tue. Es ist mir sehr wichtig, hier die Grenzen zu wahren, sonst könnte man diesen Job gar nicht machen.
Weltweit bekannt wurden Sie als Interviewer von Natascha Kampusch. War dies eines Ihrer besten Interviews?
Das ist eine sehr gute Frage. Ich glaube ich habe dieses Interview genauso gemacht wie viele andere auch. Es hat halt einfach nur die ganze Welt auf dieses Interview gewartet. Das war ein enormer Druck. Es ist mir noch nie zuvor passiert, dass mich vor einem Interview Journalisten gefragt haben, wie ich mich jetzt fühle, weil dieses Interview weltweit ausgestrahlt wird. Dann habe ich mir gedacht, ich darf nicht an die Welt denken, sondern dieses Interview so führen wie alle anderen zuvor. Ich musste dann auch wieder an die Hinrichtung in den USA denken, deren Zeuge ich war, ich beschreibe das im ersten Kapitel meines Buches, ich habe gedacht, wenn Du das überstanden hast, wirst Du alles andere auch überstehen. Ich habe auch schon so viele Menschen interviewt, die von körperlicher oder sexueller Gewalt betroffen sind, diese Schicksale waren genauso tragisch. Auf was ich stolz bin ist, dass ich Natascha Kampusch abseits der Interviews ein bisschen durch die schwere Zeit nach ihrer Flucht führen konnte.
Sie verbringen mit den Interviewten oft eine lange Zeit und recherchieren viel im nächsten Umfeld dieser Personen. Kann man nur auf diese Weise Spannendes und Tiefgreifendes von einem Menschen erfahren?
Ich glaube das hat schon viel damit zu tun, wie man auf diese Leute zugeht, oft ist der erste Kontakt das wichtigste. Ich habe vorher schon gesagt, dass ich versuche nicht schwarz und weiss zu sehen und genau das muss man den Menschen vermitteln. Man kann mit einem Opfer, mit dem man über tragische Dinge spricht, trotzdem gemeinsam lachen. Das Leben ist ja nie nur traurig. Ich glaube man muss immer vermitteln, dass man gemeinsam in die Zukunft blicken will, die Vergangenheit aufarbeiten zu dem Zweck, in der Zukunft gut leben zu können. Das ist dann nichts tragisches, sondern etwas Hoffnungsvolles. Gelingt es das zu vermitteln, öffnen sich die Menschen, weil sie einen Sinn darin sehen. Meine Einstellung ist, jede oder jeder, der ein Interview gibt, muss für sich daraus profitieren. (pv.ch)
Ausgezeichneter Journalist Christoph Feuerstein: Hier erhielt er 2007 den Dr. Karl Renner Publizistik-Preis (Bild: ORF / Christoph Feuerstein)
Infos zur Buchlesung gibt es hier.