Karl Lüönd: Neuer Ausflug in die Tierwelt

Der Grandseigneur des Schweizer Journalismus gibt der «Berner Zeitung» ein bemerkenswert kluges Interview zum Zustand der Branche. Einmal mehr bemüht der passionierte Jäger darin viele Bilder aus der Tierwelt und gibt dem «Bund» den medialen Todesstoss.

Wenn er an die Finanzierung von Tageszeitungen denkt, kommt ihm Katzenfutter in den Sinn. «Katzenfutter?», fragt BZ-Redaktor Stefan von Bergen, der Karl Lüönd auf zwei ganzen «Zeitpunkt»-Seiten zum Gesundheitszustand Schweizer Verlagslandschaft befragt . «Der Kater ist der Leser», sagt der 64-jährige Ex-Verleger und Ex-Chefredaktor aus Winterthur. Das Tier entscheidet über die Wahl des Produkts. Wenn Lüönds Kater ein Futter nicht mag, kauft seine Frau ein anderes. Gebe es zu wenige Katzen, die ein bestimmtes Katzenfutter fressen, dann zieht sich dessen Sponsor – bei Zeitungen ist das der Inserent – zurück, und das Katzenfutter verschwindet vom Markt.

In Bern verschwindet demnächst der Bund. Die dortige Intelligenzia, oder wenigstens ein kleiner Teil davon schäumt und bäumt sich trotzig auf gegen Tamedia und die Zwänge der Zeit. Lüönd gibt sich unsentimental. Zwei Titel in Bern wären besser, findet auch er. «Doch wer bezahlt sie?» Er rät, den einen Titel «ins Internet zu zügeln».

Eheleben macht Pause
Ob am Ende nur noch billiges Trockenfutter überlebt (die Gratiszeitungen), bezweifelt Lüönd. Der Erfolg von «20 Minuten» sei ähnlich wie jener der Sonntagspresse auf das Bewirtschaften einer Zeitlücke zurückzuführen: hier tote Pendelzeit und dort die langweiligen Stunden am Sonntagmorgen, „in denen das Eheleben Pause macht“. Katzen aber, so weiss der alte Hase, mögen nicht nur fade Billigprodukte.

Und weil das Reich der Natur so reich an Bilder ist: Mit besonders hohen Umsatzrenditen sei schliesslich auch die «Tierwelt» unterwegs, kein Gratisblatt, aber auch kein journalistischer Überflieger.

Dass die Sparmassnahmen die Qualität der Tageszeitungen aushöhlen wird, bestreitet der Interviewte vehement. «Journalisten glauben, dass Aufwand und Qualität automatisch korrelieren. In vielen Redaktionen liessen sich Einsparungen ohne Qualitätseinbussen erzielen: mit einer moderneren Organisation der Arbeit. Im Terminwesen, in der Ablage von Dossiers sind Redaktionen ineffizient.»

Redaktionen kaufen ganze Kühe
Und er hat einen Vorschlag parat, der Sinn macht: «Ich würde Fixkosten in variable Kosten umzuwandeln versuchen. Wenn ich Hunger habe und Fleisch will, kaufe ich ein Steak. Redaktionen kaufen immer noch ganze Kühe: Wollen sie eine bestimmte Kompetenz, schaffen sie dafür eine Stelle mit fixen Lohnkosten, statt diese Kompetenz bei freien Journalisten einzukaufen, die nur dann etwas kosten, wenn sie etwas schreiben. Wenn derzeit gespart wird, werden als erstes die Honorare für freie Journalisten gekürzt, weil es dagegen wenig Widerstand gibt. Entlässt eine Zeitung aber drei fest angestellte Journalisten, gilt das schon als Krise.»

Ihm komme das Verhalten der jammernden Medienleute und ihrer Verleger vor, wie dem des letzten Postillons nach der Eröffnung der Gotthardbahn. Der durfte zwar weiterhin über den Pass fahren, die Leute nahmen aber lieber die schnellere Eisenbahn. Seine Postkutsche steht heute im Museum. Immerhin konnte sich der Kutscher später einen Lastwagen kaufen und die Orte ohne Bahnanschluss versorgen.

Fröhlicher Markt
Wem Zeitungen ohne publizistische Vision etwas traurig vorkommen, dem sagt Lüönd nüchtern: «Ist der Markt traurig? Ist er fröhlich? Das ist eine romantische Reaktion.» Die erfolgreiche Gratiszeitung sei die Swatch des Mediensektors. Die Plasticuhr rettete die Uhrenindustrie vor 30 Jahren aus der Krise. Und sie machte auch die Produktion teurer mechanischer Uhren wieder möglich. (pv.ch)

Das ganze Interview, von der Berner Zeitung ins Internet gezügelt…

Ein erster Kommentar dazu bei „Hose & Dose“…

Von Jägern, Füchsen und Hasen: Mehr Einsichten aus dem Tiereich von Kari Lüönd…