Kaufen, bevor es andere tun

Was tun, wenn die Zeitung, für die man arbeitet, zum Verkauf steht? Kaufen, findet die Redaktion des «Südkuriers», direkt vor unserer Haustür. In Konstanz wird vielleicht bald Zeitungsgeschichte geschrieben.   

«Die Idee war ganz einfach: Kaufen wir den Südkurier selber, bevor es jemand anders macht», sagt der Leiter des Wirtschaftsressorts, Peter Ludäscher. Im Auftrag der Belegschaft hat er bereits erste Sondierungsgespräche mit Banken geführt hat. Deren ermutigende Antwort: Grundsätzlich sei das, was als vermeintlich utopische Idee in Redaktion und Betrieb entstand, durchaus möglich. Selbst Verlags-Geschäftsführer Rainer Wiesner findet Gefallen an dem Projekt und hat Sympathie für die hauseigenen Interessenten bekundet. Vor drei Tagen begannen erste konkrete Gespräche mit den vom Verlag beauftragten Beratern.

Noch gehört der in Konstanz direkt hinter der Schweizer Grenze verlegte Südkurier zum Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern. Verleger Stefan von Holtzbrinck hat schon vor geraumer Zeit erklärt, die Regionalzeitungen in seinem Imperium, zu dem unter anderem «Die Zeit» und der Rowohlt-Verlag gehören, abstossen zu wollen. Er setzt aufs Internet, in gedruckten Tageszeitungen sieht er keine Zukunft mehr.

Der in der Region fest verankerte Südkurier und seine 13 regionalen Ausgaben haben eine tägliche Auflage von 139’000 Exemplaren (und damit mehr als die NZZ), eine Reichweite von knapp 340’000 Leserinnen und Lesern und ein Verbreitungsgebiet, das vom Bodensee bis weit in den Schwarzwald reicht, flächenmässig mehr als dreimal so gross wie der Kanton Zürich.

Gut 100 Mio. Fr. (ca. 80 Millionen €) könnte die Kauf kosten, vielleicht auch etwas mehr. Moritz Suter hat in Basel vorgemacht, wie eine Übernahme in dieser Grössenordnung mit undurchsichtigen Hintermännern funktioniert. Bei einer Genossenschaftslösung, die der Redaktion vorschwebt, wäre zumindest Transparenz da. Sie würde aber nicht ohne tat- und finanzkräftige Unterstützung aus der Leserschaft funktionieren.

Zu den möglichen weiteren Kaufinteressenten aus der Branche gehören der Schwäbische Verlag in Ravensburg und die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH), einem der grössten Presseverlage in Deutschland, zu dem die Süddeutsche Zeitung, die beiden Stuttgarter Blätter (Zeitung & Nachrichten) sowie der Schwarzwälder Bote gehören. Dass Tamedia und die NZZ-Gruppe, deren jeweilige Zeitungsreiche direkt an jenes des Südkuriers grenzen, mitbieten, erscheint Brancheninsidern als eher unwahrscheinlich, auch wenn der tiefe Euro-Kurs lockt. Die beiden deutschen Nachbar-Verlage dürften dagegen kartellrechtliche Probleme bei einem Kauf des Südkuriers bekommen. Anders als in der Schweiz gelten strenge Regeln für die Fusion regionaler Monopolblätter.

«Wenn solche Nachbarn uns kaufen, müssten wir damit rechnen, dass die Mantelredaktion für die überregionalen Seiten und die Lokalredaktionen in angrenzenden Gebieten unter Beschuss kommen», sagt Redaktionsvertreter Peter Ludäscher gegenüber der «taz». Die Berliner Tageszeitung steht dem möglichen «Südkurier-Modell» unter Selbstverwaltung Pate. Das Genossenschaftsblatt geniesst im von einem Stadtpräsidenten der «Grünen» Konstanz regierten selbst viel Zuspruch. Vielleicht schreiben die Südkurier-Redaktoren und Angestellten schon bald Pressegeschichte, wenn sie melden können: «Wir kaufen uns selbst».