Die Freien Berufsjournalistinnen und -journalisten Zürich (FBZ) haben drei Fragen an NZZ-Medien-Redaktor Rainer Stadler gestellt. Der 49-Jährige wurde soeben mit dem Zürcher Journalistenpreis ausgezeichnet.
Rainer Stadler ist einer der wenigen verbleibenden Medienredaktoren der Schweiz. Seit 1989 schreibt er zu Medienentwicklung, Medienpolitik und Medienethik in der Neuen Zürcher Zeitung. Jeden Freitag erscheint die von ihm produzierte Beilage «Medien», zudem publiziert er in anderen Ressorts zum Thema. Am 22. Mai 2008 wurde der Medienredaktor mit dem Preis für das bisherige Lebenswerk der Stiftung Zürcher Journalistenpreis ausgezeichnet. Die FBZ hat drei Fragen an ras.
FBZ: Rainer Stadler, weshalb – oder vielleicht: wozu – wurden Sie nach ihrem Studium der Philosophie und der französischen Literatur ausgerechnet Journalist?
Rainer Stadler: Der Zufall wollte es offenbar so. Oder war es die unsichtbar lenkende Hand meines Vaters? In meiner Frühzeit war ich nicht wirklich NZZ-Leser. Aber unser Vater war gleichsam ein privater Argus-Dienst: Als NZZ-Leser auf Lebenszeit hat er das Blatt immer konsequent mehrfachverwertet. Ein väterlich notiertes „R“ zu einem Artikel bedeutete, dass der entsprechende Artikel zu meinem Interessengebiet gehörte und sonstwie für mich Pflichtstoff war. Ferner flatterten mir immer wieder – wenn ich ein Buch aus Vaters Bibliothek fischte – NZZ-Artikel, Rezensionen oder ähnliches, entgegen. Ich konnte also der NZZ nicht entrinnen. Und wem man nicht entrinnen kann, den sollte man besser umarmen. Ist doch besser fürs Lebensgefühl, oder?
Übersetzt in ein Bewerbungsschreiben, heisst das: Themen der Bewusstseinsindustrie haben mich schon während meines Studiums fasziniert. Im weiten Sinn war das auch ein Thema meiner Arbeit über Theodor W. Adorno. Und als studentischer Express-Fahrer der Schweizer Post habe ich mich im schnellen Übermitteln von Botschaften trainiert.
FBZ: Sie sind mittlerweile einer der letzten ständigen Medienredaktoren des Landes. Wie sieht ein profunder Kenner des „Status Quo“ die weitere Entwicklung der Schweizer Medien? Geht es, wie SRG-Direktor Armin Walpen sagte, auf allen Kanälen wieder Richtung „Qualität statt Quote“?
Rainer Stadler: Wenn ich wüsste, wohin die Medien-Reise geht, wäre ich ein reicher Mann, könnte alle Schweizer Zeitungen aufkaufen und sie zu einer grossen NZZ umbauen. Ich weiss es aber nicht.
Der Prozess der Segmentierung und Individualisierung der Angebote und des Konsums wird fortschreiten. Die Qualitätsmedien werden sicher nicht zum Siegeszug antreten, sondern vielmehr in ihren Kernbereichen mit grossen Finanzierungsproblemen kämpfen, vor allem auf kleinen, internationalisierten Märkten wie der Schweiz. Aber Leitmedien im Sinne von Medien, welche mit ausreichenden publizistischen Ressourcen die gesellschaftliche und politische Kommunikation prägen, wird es weiterhin geben bzw. brauchen – solange die Schweiz eine funktionierende demokratische Wissensgesellschaft sein will.
FBZ: Aufklärung, Vermittlung und/oder Boulevard, wo sind die Grenzen?
Rainer Stadler: Aufklärung – so viel wie möglich. Da gibt es fast keine Grenzen. Nur die rechtlichen. Die Privatsphäre als gefährdetes Gut verdient klaren Schutz. Damit ist auch die Frage nach den Grenzen des Boulevards beantwortet. Das Sensorium für solche Fragen ist unter diversen Medienschaffenden nicht besonders gross. (FBZ)
Geboren 1958 in St.Gallen: Ausgezeichneter Rainer Stadler.
(Bild: journalists.ch)