„Magazin“-Leute werden zu Bloggern

Thomas Zaugg, Michèle Roten, Max Küng und Daniel Binswanger bloggen neu unter blog.dasmagazin.ch. Man wagt sich beim „Magazin“ also wieder ins freie Web, so ein bisschen jedenfalls.

In den ersten Beiträgen veröffentlicht Max Küng ein Vorwort zu seinem neuen Buch (Nummer 3), Thomas Zaugg schreibt über eines der Schwergewichtsbücher von Anselm Kiefer, Michèle Roten wusste schon immer, „dass (gut) geschminkte Frauen als kompetenter, vertrauenswürdiger und liebenswerter eingeschätzt werden als ungeschminkte“ und Daniel Binswanger ist nach seinem Besuch in der „Arena“ aufgefallen, dass er gern noch etwas ausführlicher reagiert hätte auf ein paar Punkte.

Weiterer Teilnehmer des Blogs ist Kurator Hans Ulrich Obrist, dessen „Magazin“-Mitarbeit Chefredaktor Finn Canonica im November per Twitter verkündet hatte. Obrist schreibt zum Beispiel über den Autor Édouard Glissant oder über den Ökonom Hans-Christoph Binswanger.

Völlig unverständlich und nichts mehr als eine Massnahme, um die Seitenaufrufe zu vervielfachen ist die Anzeige der kurzen Texte nicht auf einer, sondern auf mehreren Seiten. Was leider auch gängige Praxis vieler anderer Websites (zeit.de, sueddeutsche.de, etc.) ist – so sind die Leser dazu gezwungen, sich dumm und dämlich zu klicken, statt in Ruhe lesen zu können. Davon und von einigen anderen unverständlichen Usability-Entscheidungen abgesehen ist das neue Blog zwar schlicht, aber recht schön gestaltet. Besonders begeistert auf das Web scheint sich die Redaktion aber nicht einlassen zu wollen. Die Ansicht des Blogs führt schnell zur Vermutung, die finale Entscheidung über die Gestaltung des Blogs sei von Print-Leuten entschieden worden. Ziemlich seltsam ist auch, dass auf der Hauptseite dasmagazin.ch kein Link zum Blog besteht, aber vielleicht wird der noch nachgereicht.

Die Kommentarmöglichkeit wurde zu (oder sagt man nach? in?) Facebook ausgelagert; die Erfahrungen mit den Kommentaren auf der Website sind der Redaktion offenbar noch in frischer, unguter Erinnerung. Als kurze Rückblende: Nachdem „Das Magazin“ während einiger Zeit eine offene Website betrieb, die auch Kommentare zuliess unter den Texten, wurde das Projekt bei der Einführung der iPad-App gestoppt und die jetzige Website eingeführt, die nicht viel mehr ist als ein Schaufenster der Printausgabe.

Ich freue mich auf jeden Fall auf die frischen Blogtexte von Binswanger, Roten, Küng und Zaugg. Von ihrer wesensmässigen Anlage her taugen sie alle vier zum Blogger, doch endgültig klärt sich diese Frage erst in der Praxis. Man kann gespannt sein, ob und wie sich die Magazin-Leute, die sich neu endlich mit dem exquisiten Titel Blogger schmücken dürfen, in aktuelle Debatten einklinken – oder ob sie vielmehr ein abgeschiedenes Feuilleton-Blogger-Leben abseits der profanen Themen anderer führen werden. Etwas Kommunikation mit dem Rest des Webs hat auf jeden Fall noch keinem geschadet, schon gar keinem Blogger. In diesem Sinne: Guten Start!

  1. Kommentarauslagerung nach Facebook halte ich für eher unklug. Und irgendwie finde ich auch erstaunlich, dass ausgerechnet das Tagimagi die Identitätsdienst-Strategie von Facebook unterstützt.

  2. @Thomas Zaugg: Vielen Dank für den ausführlichen Kommentar. Es freut mich, wenn das Magazin von einer gewissen Blogbegeisterung erfasst wurde – möge sie lange anhalten! (Und vielen Dank für die baldige Abschaffung der Blättern-Funktion.)

  3. Vielen Dank für das Interesse an unserem neuen Blog und die konstruktive Kritik. Wer blog.dasmagazin.ch über die letzten Wochen hinweg verfolgt hat, wird gemerkt haben, wie ernst wir es meinen. Um ehrlich zu sein, Michèle, Daniel, Max und ich sind ein wenig süchtig geworden. Intern kursieren Mails mit dem Betreff „blog blog blog“, Michèle bloggt im Zug, Max postet aus Schweden. Alya Kirillova, unsere erste Gastbloggerin, sorgt für mehr Traffic als auf Russlands verstopften Strassen. Ein neuer Blogger-Autor ist in den Startlöchern. Ebenso die nächsten Gastblogger. Und noch zwei, drei Überraschungen.

    Unterstreichen möchte ich diesen Satz von Ronnie Grob: „Von ihrer wesensmässigen Anlage her taugen sie alle vier zum Blogger, doch endgültig klärt sich diese Frage erst in der Praxis.“ Tatsächlich ist es ein anderes Schreiben, und man erlernt es erst by doing. Einzelne Punkte in diesem Post sind Missverständnisse. Zum Beispiel Ronnie: „Völlig unverständlich und nichts mehr als eine Massnahme, um die Seitenaufrufe zu vervielfachen ist die Anzeige der kurzen Texte nicht auf einer, sondern auf mehreren Seiten.“ Richtig, wir haben zum Start die längeren Texte auf verschiedene Seiten verteilt – also eine „Blättern“-Funktion. Aber nicht wegen der Seitenaufrufe, sondern weil wir unseren Besuchern das nostalgische Gefühl vermitteln wollten, ein Heft zu lesen. Im bevorstehenden Update werden die Texte in voller Länge ohne „Blättern“-Funktion publiziert. Nostalgie war gestern.

    Ronnie, du vermutest, die Gestaltung des Blogs hätten Print-Leute entschieden. Wahr ist: Unser printaffiner Grafiker hat ohne Einflussnahme der bösen Print-Redaktion ein Design konzipiert. Es ist schlicht, wir haben drei Farben, null Werbebanner und fokussieren ganz auf den Text. Das mag man als „Luxus pur“ (ThomNagy) wertschätzen oder als „kunstprojekt“ (bugsierer) allzu wortstark kritisieren. Wir finden das Ganze jedenfalls nicht nur einfach schön, sondern vor allem benutzerfreundlich.

    Wir verzichten vor lauter Reduktionismus natürlich nicht auf Social Media Tools (Verlinkungen zu Facebook, Twitter und Google+ lassen sich wie zum Beispiel auch auf der „Zeit“-Website mit einem Klick „ausklappen“). Neu übernehmen die Kommentatoren mit ihrem Facebook-Account für ihre Voten Verantwortung. Das ist eine inzwischen weitverbreitete Lösung. Mit der Anonymität im Netz haben wir tatsächlich schlechte Erfahrungen gemacht, wir bekamen einzelne Kommentare ohne erkennbare Argumentation. Wir orientieren uns jetzt an einem Beschluss des Presserates: Anonymität ist bei Online-Kommentaren wie im Fall von traditionellen Leserbriefen zulässig, sofern damit schützenwerte Interessen (Privatsphäre, Quellenschutz) gewahrt werden. Anonsten ist es angenehm zu wissen, wer mit einem spricht. Finden wir.

    Lieber bugsierer, auf unserem Blog gibt es zahlreiche Bilder, sogar aus Russland und bald auch aus tropischeren Weltregionen (bugsierer: „es gibt null bilder“). Wir haben Komplimente erhalten von Leuten, die sich darüber freuen, endlich einmal einen Blog zu lesen, der sie in Sachen Bedienung nicht überfordert (bugsierer: „keine bloglogik“). Und wer sich dafür interessiert, der findet unser „About“ unter dem ausgedeutschten Titel „Impressum & Kontakt“ (bugsierer: „da gibt es […] kein ‚about'“).

    Danke für die guten Wünsche zum Start. Wir freuen uns auf weitere Anregungen, Posts, Kommentare. Und sind stolz, uns jetzt Blogger nennen zu dürfen.

  4. sehr seltsam, wie die das wieder machen. man wähnt sich in einem kunstprojekt, das nur wenig ahnung vom netz hat. aber nicht im blog eines flaggschifftitels wie dem magazin. unglaublich, eigentlich.blog? wo blog? da gibt es keine ordentliche startseite, keine bloglogik (aka usability), kein link auf die hauptseite, kein “about”, eigentlich nichts, was ein state-of-the-art-blog ausmacht. die kommentare NUR bei facebook? was soll das denn? wo ist da der anspruch? habe das kurz ausprobiert. unbrauchbar grauenhaft – v.a. für ein flaggschiff wie dieses.und: es gibt null bilder und alles ist schwarz in grau. ok, kann man ja machen wollen (in einem kunstprojekt -;). aber bitte nicht so. das hat nichts mit geschmack zu tun, sondern mit der qualität des webdesigns, und die ist hier unterirdisch – insbesondere für ein flaggschiff wie dieses. wie gesagt, kunstprojekt, a sort of…kurz und gut: wenn man die netzgeschichte des magazins in den letzten 6 jahren mitverfolgt hat, ist das nur ein weiterer tiefpunkt. aber man kann als alter magazin-leser nicht aufhören, sich zu wundern… und sich zu ärgern.

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