Mediales Erdbeben

Nachdem in Haiti die Erde gebebt hat, sieht auch Kurt W. „Zimmi“: Das Internet stellt die Medienwelt auf den Kopf.

Vielen Journalisten ist die „Weltwoche“ nicht mehr ganz geheuer, sie machen einen Bogen um das Heft oder lesen es nur noch heimlich. Eine „Köppel-Woche“ sei sie geworden, ein „Sprachrohr der SVP“, ein Woche ohne Welt drin. Die Titelblätter sind tatsächlich ungefähr jede zweite Woche eine Zumutung; wenn keine moralische, dann wenigstens eine ästhetische.

Doch immer wieder finden sich darin frische Artikel, die vorpreschen, die aufschreiben, was bisher noch niemand sagte oder zu sagen wagte – damit gelingt es der Zeitschrift regelmässig, neue Debatten anzuziehen. In seiner neusten Kolumne schreibt nun der in der Medienszene wohlbekannte Kurt W. Zimmermann, wie sehr das Internet die Medienindustrie auf den Kopf stellt – meines Wissens das erste Mal, dass in den Schweizer Printmedien so deutlich zu lesen ist, was Publizisten im Internet seit Jahren feststellen.

Zerstörtes Herrschaftswissen

Zimmermann konstatiert: „Jedes Handy kann inzwischen Ton, Fotos und Videos aufzeichnen und sie – unabhängig von der Medienindustrie – über Facebook, Twitter oder Youtube der Öffentlichkeit verfügbar machen.“ Nach 400 Jahren Kanalisierung und Kontrolle der Medien habe sich ein neuer Zustand eingestellt: „Das Handy hat das Herrschaftswissen der klassischen Medien definitiv zerstört.“ Der Artikel endet mit der Schlussfolgerung: „Die alten Medien brauchen die jungen Medien, und nicht umgekehrt.“ Das ist, was Teilbereiche angeht, wahr.

Es ist an der Zeit, dass Journalisten dem Beispiel Zimmermanns folgen und endlich begreifen, was seit Jahren unübersehbar ist: Das Internet lässt sich nicht wegschreiben. Jeder Journalist, jede Journalistin ist dazu gezwungen, sich darauf einzulassen. Und zwar mit Haut und Haaren. Wer meint, auch 2010 noch ohne Zuhilfenahme des Internets recherchieren zu können, handelt in den meisten Fällen fahrlässig. (pv.ch/RG)

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