Medienarena Schweiz 2008 im Jahresrückblick

Die Krise der Finanzmärkte, Obama-Mania und das runde Leder waren die dominanten Aufhänger für Berichte im letzten Jahr. Forschende der Universität Zürich haben in 10 Leitmedien die Top-Themen des Jahres 2008 mit Akribie ausgezählt.

Zeitung lesen, Fernsehen gucken, Radio hören – und dafür auch noch akademische Weihen einsammeln, so schön kann das Forscherleben an der Forschungsstelle für Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich (Fög) sein. Für das Langzeitprojekt «Kommunikationsereignis-Analyse» werten die Forschenden alles aus, was die Leitmedien des Landes, 10 an der Zahl, absondern. Konkret stehen auf dem Menuplan der Medienwissenschaftler neben, «Tages-Anzeiger» und «Sonntags-Zeitung», «NZZ» und «NZZ am Sonntag», «Blick» und «Sonntags-Blick», das «Echo der Zeit» und «Rendez-vous» sowie «10 vor 10» und «Tagesschau». Die wichtigsten Medienthemen für die ersten 11 Monate des Jahres 2008 (die Dezemberwertung steht noch aus) sind:

1 Finanzmarktkrise
2 Präsidentschaftswahlen USA
3 Fussball-Euro 2008
4 Geschäftsgang UBS
5 Parteiprogramm SVP
6 Olympische Spiele 2008
7 Affäre Korpskommandant Nef
8 Energiepolitik Schweiz
9 Konjunkturverlauf Schweiz
10 Streik SBB Cargo
11 Personenfreizügigkeit
12 Bundesratswahl 2008
13 KVG-Revision
14 Kaukasus-Konflikt
15 Steueraffäre Deutschland – Liechtenstein
16 Erdölpreisentwicklung
17 Umsetzung Armee XXI
18 Stabilitätspakt Kosovo
19 Nahost-Konflikt
20 Geschäftsgang SBB
21 Bürgerkrieg Kolumbien
22 Rücktrittsforderungen an Bundesrat Schmid
23 UBS – Fall Birkenfeld
24 Tibet-Frage
25 Kaderlohndebatte
Die Bundesratswahl Anfang Dezember und der neuerliche Krieg in Palästina dürften dafür sorgen dass diese Themenfelder in der Ganzjahreswertung noch einige Plätze gut machen werden. Für das Projekt wird in einem ersten Schritt für jedes Medium eine Rangierung vorgenommen, in einem zweiten Schritt werden diese gewichtet. Die Berichterstattung in einem Medium hat damit erst dann Einfluss auf das Ranking, wenn es in anderen Medien in vergleichbarem Ausmass anfällt. 

Als theoretischer Hintergrund des Projekts dient die Vorstellung, dass «Gesellschaft erst durch Netzwerke öffentlicher Kommunikation sichtbar wird und mithin gesellschaftliche Wirklichkeit konstruiert wird». Medien übernähmen dabei eine doppelte Rolle, glauben die Fögler: in ihren Augen sind sie «Interpreten und Produzenten der durch Kommunikation erfahrbaren Ereigniswelt. Kommunikationsereignisse sind diskursive Auseinandersetzungen und offenbaren in ihrem Vergleich die gesellschaftlich bedeutsamen Aufmerksamkeitsstrukturen.» Das gestelzte Akademikerdeutsch ist vermutlich eine der Gründe, warum die wichtige Arbeit dieser Forschungsteller zu wenig wahrgenommen wird.

«Die Fakten könnten manch falsche Einschätzung von Medienereignissen verhindern, die aus Betroffenheiten oder Interesse verzerrt wahrgenommen wird», meint etwa der Politikwissenschafter und Leiter des Meinungsforschungsinstituts GFS in Bern, dem wir die Zusammenstellung der obigen Daten verdanken. Er merkt allerdings an, das es sinnvoll wäre, «sich mit dem Wirklichkeitsbegriff der Medienwissenschafter kritisch auseinander zu setzen». Dass sie in ihrer Arbeit über Schweizer Leitmedien die anderen Sprachregionen aussen vor gelassen haben, kreidet Longchanp den Kollegen an. Es wäre redlich, wenn die Zürcher kenntlich machten, dass sie «lediglich die deutschschweizerische Medienarena untersuchen, nicht die gesamtschweizerische». (pv.ch)

Quellen: Fög-Projekt Kommunikationsereignis-Analyse
http://www.foeg.unizh.ch/forschung_am_foeg/projekte/Kommunikationsereignis_-_Analytik_Arena_Schweiz.aspx

Claude Longchamps Blog: http://www.zoonpoliticon.ch/blog/1285/kommunikationsereignisse-2008-in-der-schweiz/

Foto: apfelquak.de