Medienbetrieb vorgeführt

Die europaweit in die Schlagzeilen geratene Klassik-Gruppe «Swiss Tenors» hat den mit  Spannung erwarteten Auftritt absolviert. Vom umstrittenen «Natascha»-Song haben sie jedoch lediglich die erste Note gespielt.
   Medien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren nach Winterthur gefahren, um im «Zelt» die Uraufführung des künstlerisch leicht veränderten Falco-Songs «Jeanny» zu erleben, der so verblüffend auf den Entführungsfall Kampusch passt. Die Tenöre spannten den Bogen von Oper bis Schlager und hielten die Spannung um «Natascha» drei Stunden aufrecht. In Anspielungen erwähnten sie das riesige Medienecho von Dänemark über Berlin und Wien bis nach Korea und die heftigen Reaktionen in Online-Foren und auf Lokalsendern auf das angekündigte «Jeanny»-Remake. Das Konzert ging dem Ende entgegen. Das Publikum forderte Zugaben. Eine, zwei, drei. Dann kam es. Oder eben nicht.
   Die Sänger erklärten, sie dürften «Natascha» nicht aufführen, weil der Verlag des Original-Songtextes noch nicht entschieden habe, ob er die Rechte herausgebe oder nicht. Der Pianist spielte die erste Note von Falcos Hit – und ging dann nahtlos zur letzten Zugabe über.
   Für die «Swiss Tenors» gab es langen Applaus – bei den Journalisten dagegen lange Gesichter. Es war, als hätten ihnen die «Swiss Tenors» den Spiegel vorgehalten. Ihre Schlagzeilen-Versessenheit, die sich blindlings noch auf die kleinste Nebensächlichkeit im Fall Natascha K. stürzt, war ins Leere gelaufen.
    Der «Landbote» schrieb: «Nach em Räge schint d Sunne {…} bildete das Motto für den Liederabend, der den Swiss Tenors keine Buhrufe, sondern Standing Ovations bescherte.» Und die «Sonntags-Zeitung»: «So geputzt und gestriegelt wie die Swiss Tenors im Scheinwerferlicht stehen, können das keine Provokateure sein. Doch untern den 800 Zuschauern sind mindestens 100 Medienleute. Die Schweiz hat einen Kulturskandal. {…} Ein Ziel haben die Tenors erreicht: Ihr Schwiegersohn-Image sind sie los.»
   Die drei Künstler hatten immer deklariert, Gesellschafts- und Medienkritik zu betreiben. Wohl nicht umsonst hatten sie für die Nicht-Aufführung «Das Zelt» gewählt, das bekannt ist für die Verbindung von Musik und Comedy. Den Medienschaffenden blieb nichts übrig, als noch ein wenig das Publikum an der «Zelt»-Bar zu befragen und dann nach Hause zu fahren. Der RTL-Reporter zu den Tenören: «Aber ihr singt es dann nicht, wenn wir schon weg sind!» (zvg)