Medienwandel: Veränderungen machen vor Bauma nicht Halt

Die Ankündigung, dass im „Anzeigenblatt von Bauma“ keine redaktionellen oder eingesandten Beiträge mehr publiziert werden, warf in Bauma hohe Wellen. Ein offener Brief an die Verlagsleitung wurde von über 200 Personen unterzeichnet. Doch was sind die Hintergründe des Entscheids und wie steht es um den Lokaljournalismus?

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Eine Nullnummer des „Tössthalers“ im aufgefrischten Layout

 

Seit über 50 Jahren gibt es das „Anzeigenblatt der Gemeinden Bauma und Sternenberg“ bereits. Es dient den politischen und kirchlichen Gemeinden als Publikationsorgan. Auch Vereine greifen gerne auf die Plattform zurück. Das Anzeigenblatt wird zweimal wöchentlich in die Haushaltungen verteilt – kostenlos. Ein wertvolles Werbeinstrument mit langer Tradition.

Luxus ist nicht gratis

So wertvoll das Anzeigenblatt für die Dorfkultur ist, so einzigartig ist es. Keine andere Gemeinde im Bezirk Pfäffikon ZH kann ein Blatt für sich alleine in Anspruch nehmen, das in einer solch hohen Frequenz erscheint. Das ist für die Bevölkerung ein grosser Luxus.
Aber Luxus ist eben alles andere als kostenlos. Anderswo trägt zwar die Gemeinde ein allfälliges Defizit komplett, doch dafür erscheint die Publikation bloss monatlich. Die Gemeinde Bauma finanziert dem Anzeigenblatt etwa die Hälfte des Defizits. Im letzten Jahr waren das rund 20 000 Franken, wie die Gemeinde in einer Mitteilung schreibt. Der Verlag wird dennoch mit weiteren 20 000 Franken belastet.

Umbruch führt zu Ängsten

Als während der Industrialisierung die Dampflokomotive erfunden wurde, warnten die Wissenschaftler, dass das Tempo von 30 Stundenkilometern die Menschen in den Wahnsinn treiben könnte. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und dem Wandel wird erst skeptisch begegnet.
Im Gespräch mit Einwohnerinnen und Einwohnern von Bauma spürt man den Umbruch. Erst die Fusion mit der Gemeinde Sternenberg, nun die Veränderung beim Anzeigenblatt. Unmissverständlich werden die Ängste geäussert. In Saland fürchtet man um den Anschluss an das Dorfleben in Bauma. Wo soll man nun erfahren, was gerade los ist? Mit dem Ende des „Blettli“ – das gerne als Käseblättchen bezeichnet wird – würde eine langjährige Tradition zu Grabe getragen. „Man nimmt uns wieder etwas weg!“ tönt es da und dort. Es werde ja weiss Gott schon genug gespart.

Umbruch bringt Chancen

Im Anzeigenblatt vom 30. Dezember 2014 wurde kurz und knapp die konzeptionelle Änderung angekündigt. Die Emotionen gingen hoch und innert kürzester Zeit kamen über 200 Unterschriften von besorgten Privatpersonen und Vereinen zusammen, die den Erhalt des Anzeigenblattes fordern. Die Facebook-Seite zählt aktuell 111 Likes. Ein deutliches Zeichen an die Verlagsleitung, wie wichtig das Blatt für die Bevölkerung ist.

Die Gemeinde Bauma schreibt in ihrer Mitteilung weiter, dass eine Verteilung des Anzeigenblattes an alle Haushalte nur alle 14 Tage vorgegeben ist. Vielleicht könnte man so das Bulletin noch einige Zeit weiterführen, trotzdem muss ein wirtschaftliches Finanzierungsmodell gefunden werden.

Print ist keine Selbstverständlichkeit mehr

Der Umbruch betrifft aber nicht nur den „Tössthaler“ und das Anzeigenblatt. Der Print-Journalismus ist weltweit in der Krise. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass es noch immer Lokalzeitungen gibt. Die goldene Ära der Zeitungen, als Druckereien noch regelrechte Geldmaschinen waren, ist vorbei.

Gleichzeitig treiben die Globalisierung und das Internet eine gigantische Informationsflut an. Internationale News gewinnen an Bedeutung, englischsprachige Medienhäuser sind auf dem Vormarsch wie nie zuvor. Im September besuchten 42,6 Millionen die Website der britischen Tageszeitung „The Guardian“. Für die Berichterstattung über das Schwingfest in Wila braucht es aber immer noch eine Lokalzeitung. Nur: über welchen Kanal werden die Informationen ausgeliefert?

Innovationen und Investitionen

Der Lokaljournalismus wird ebenso wichtig wie der internationale. Er kann erklären, was komplexe politische Entscheide für direkte Auswirkungen auf die Region haben. Er erzählt nicht nur schlechte, sondern auch schöne Geschichten. Er geht nahe, berührt und unterhält. Aus der Region, für die Region.
Damit weiterhin eine qualitative Berichterstattung geboten werden kann, braucht es Innovation. Aus diesem Grund wird das Layout des „Tössthalers“ aufgefrischt. Für die „Mikroregion Tösstal“ ist eine Unterteilung in das untere, mittlere und obere Tösstal vorgesehen. Jeweils zur Grossauflage, die jede zweite Woche in alle Haushalte verteilt wird, ist abwechselnd ein zweiter Bund fürs untere und mittlere Tösstal geplant. So soll für die Gemeinden und ihre Einwohner, die den „Tössthaler“ als amtliches Publikationsorgan nutzen, eine optimale Abdeckung entstehen. Ein Wunsch, der von den genannten Gemeinden immer wieder an die Verlagsleitung herangetragen wurde.
Die Baumer Bevölkerung wünscht eine vollständige Abdeckung durch ein Print-Medium, doch nur 18 Prozent sind bereit, den Jahresbeitrag von 48 Franken zu bezahlen. Print ist schlicht zu teuer für diesen Abdeckungsgrad. Der Lokaljournalismus muss ins Netz, um zu überleben und einen bestmöglichen Service zu bieten.
Im Angesicht dieser Veränderungen rückt die aktuelle Debatte um das Anzeigenblatt in den Hintergrund. Letztlich steht eine einzige Frage im Raum: Welcher Kanal ist das beste Sprachrohr für die Gemeinde Bauma?

Am Ende profitieren alle

Machte das Anzeigenblatt dem „Tössthaler“ Platz, profitierte die Gemeinde Bauma von einem separaten Bund fürs obere Tösstal. Die Berichterstattung wäre deutlich umfangreicher, als sie im Anzeigenblatt je möglich wäre. Vereine und Institutionen können weiterhin Artikel einsenden und die Zeitung für sich nutzen. Die Leserinnen und Leser werden direkte Profiteure des journalistischen Mehrwerts.
Das Anzeigenblatt ist eine wichtige Publikation mit einer langen Geschichte, doch nun steht sie Erneuerungen im Weg. Die Ressourcen, welche das Anzeigenblatt für sich beansprucht, wären besser beim „Tössthaler“ eingesetzt. Die Redaktion muss ausgebaut werden und die Seiten müssen mit spannenden Geschichten gefüllt werden. Auch eine Online-Präsenz ist in Planung. Die Fülle an Ereignissen müssen multimedial aufbereitet und ein Dialog mit der Bevölkerungen geführt werden. Nur so kann eine Lokalzeitung in Zukunft noch bestehen.

 

Dieser Artikel erschien am Samstag, 10. Februar 2015 in der Printausgabe des „Tössthalers“.