«Möchten Sie etwas über Afrika?»

Der Niedergang des klassischen Reisebundes geht weiter. Die «Sonntagszeitung» halbiert ihre Reiseextras von 11 auf 6 Ausgaben im Jahr. Ein Podium hat die Zukunft des Reisejournalismus‘ debattiert.

Am Leser scheiterts nicht. In der Beliebtheit schwingen die Reiseseiten obenaus. Das beweist die Leserforschung mit schöner Regelmässigkeit. Doch bloss weil Zeitungsnutzer gern von fernen Ländern träumen, heisst das nicht, dass sie die oft ellenlangen Aufsätze über Pressereisen in die Puszta oder ins x-te Wellnesshotel auch lesen. Und Anzeigen garantiert das schon gar keine.

Mehr Kanäle, weniger Werbung
Das hochkarätige Podium an der Veranstaltung des Travel Writers‘ Club (STW) und des Corps Touristique im «Baur au Lac» war sich einig: Hatten Reiseveranstalter wie Kuoni früher jeweils noch ein Jahr lang Anzeigen durchgebucht, schalten sie heute markant weniger Print-Inserate. Beim Grund waren sich Carmen Breuss (Österreich Werbung), Urs Heller (Zeitschriften Ringier), Andrea Schafroth (Noch-Tagi) Marcel Bernet (Bernet PR) sowie Christoph Ammann (Ressortleiter Tourismus SoZ) einig: Es gibt heute einfach viel mehr Kanäle. Und Bernet machte klar: Den Reiseseiten fehlt es oft an einem klaren und attraktiven Konzept.

Fremde auf Reisen
Der Inserateschwund hat Folgen: Reiseseiten verschwinden, Extras erscheinen seltener, das Redaktionsbudget schmilzt, Zeitungen lassen ihre Storys noch häufiger durch Anbieter sponsern, den spezialisierten Reisejournalisten gibt es je länger je weniger, statt dessen werden Ressortfremde auf Reise geschickt – die oft ihre Ferien dafür aufwenden müssen. Kein Wunder erscheinen erbauliche Berichte aus Touristenoptik und selbst Geknipstes statt recherchierter Tourismusjournalismus und Profibilder. Nicht gerade das ideale Umfeld für zögerliche Werbekunden.

Hat der Reisejournalismus noch Zukunft? Die Experten waren vorsichtig positiv, sehen die Entwicklung aber hin zu Kooperationen und neuen Modellen mit den Online-Medien. Skeptischer waren die – oftmals freien – Reisejournalistinnen und -journalisten im Publikum, die gegen viel Konkurrenz semiprofessioneller Kollegen zu kämpfen haben und noch schlechter als bis anhin schon bezahlt werden.

Amüsantes in der Diskussion
Die Veranstaltung brachte dem STW mit über 80 Vertretern aus Medien, PR und Reisebranche einen neuen Rekord. Sie wurden nicht enttäuscht. Die spannende Diskussion bot auch viel Amüsantes wie die Tatsachen, dass Winterpressereisen nicht zustande kommen, weil es zu wenig Schneesportler unter den Journalisten gibt; dass manchmal «marketingmässig unterbelichtete» Freie Reiseartikel anbieten mit «Möchten Sie etwas über Afrika?» oder zu einem Thema, das eben im Blatt war; und wie ein Reisejournalist effizient recherchiert: Er schliesst sich mit dem Concierge des ersten Hauses am Platz kurz. (pv.ch/sut.)STW2.JPG

Auf dem Podium: Carmen Breuss (Österreich Werbung), Andrea Schafroth (Tagi) und Christoph Ammann (Ressortleiter Tourismus SoZ).