Nachrufe auf Peter Uebersax

Der Tod des ehemaligen „Blick“-Chefredaktors Peter Uebersax hat eine breite Anteilnahme nach sich gezogen. Ein Überblick auf einige Nachrufe.

Todesanzeige Peter Uebersax im "Tages-Anzeiger"
Todesanzeige von Ringier im Tages-Anzeiger vom 27. Oktober 2011.
Foto mit freundlicher Genehmigung von Pierre Meier („Werbewoche“), via Facebook.

Es ist schon etwas irritierend. Da hört man jahrelang, dass die schlimmste Zeit des „Blick“ unter der Führung von Peter Uebersax war: Hetze auf Ausländer, Sex ohne Ende, fragwürdige Geschichten.

Auf der Website des Schweizer Fernsehens kann man sich ansehen, wie Heiner Gautschy 1984 mit hocherhobenem Zeigefinger Uebersax Fragen stellt, die er dann aber irgendwie gar nicht beantworten darf:

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Nun ist der Mann tot, und er wird gefeiert als ganz Grosser des Schweizer Journalismus. Ich finde: zurecht. Als einer der wenigen hat er es geschafft, den „Blick“ zu einer echt unterhaltsamen Volkszeitung zu machen. Es wurde ihm und seinem Arbeitgeber Ringier gelohnt durch Auflagerekorde, die, solange es das Internet gibt, auf Papier nie wieder erreicht werden. Sicher hat er da und dort übertrieben und sich zu sehr in gewisse Geschichten verbissen – aber welcher Boulevard-Chefredaktor hat das nicht?

Hier einige Nachrufe:

Turi Honegger, inzwischen 87, im „Blick“:

Er war ein perfekter Chefredaktor. Er war charmant, er diskutierte, förderte den Teamgeist. Uebersax, so sagten zahlreiche seiner Zeitgenossen, war «der geborene Chefredaktor». (…)

Sein Erfolg lag auch darin, dass Reporter und Redaktoren zu ihm hielten, sich nicht scheuten, mit ihm heftig zu diskutieren. Uebersax hat sich manchmal Aussagen geleistet, die schockierten, doch er hatte immer eine Antwort für jene, die sich darüber aufregten: Ich mache Boulevard-Journalismus!

Karl Lüönd, in der „Basler Zeitung“:

Als Nachrichtenprofi war Peter Uebersax ein Ausnahmekönner. Aber beim zweiten «Blick»-Einsatz wurde er auch zum erfolgreichsten Blattmacher, den es dort je gegeben hat. Zu seiner Unerbittlichkeit bei den Fakten kam nun ein fast schlafwandlerischer Instinkt für das, was den «Blick» von den anderen Zeitungen unterschied: für den marktgetriebenen Journalismus, der entlang den bewährten Parametern von Empörung, Nervenkitzel und mehrheitsfähigem Sex knackige Schlagzeilen hervorbachte. «Dranbleiben» war eine seiner ständig wiederholten Botschaften, auch an die eigene Redaktion.

Roger Köppel, im „Persönlich“-Blog:

Die Klischees des brutalen Boulevardjournalisten, der gegen Grüne und Tamilen anschrieb, werden der Persönlichkeit von Uebersax überhaupt nicht gerecht. Der Journalist stammte aus einer sehr kultivierten Familie, seine Mutter, eine Russin, war Malerin, sein Vater Chemiker. Uebersax selber gehörte zu den Schweizer Journalisten mit dem wohl grössten internationalen Horizont. In seiner Herrliberger Wohnung war ein handsignierter Dankesbrief des spanischen Königs Juan Carlos. Ich habe Peter als einen äusserst humorvollen, intelligenten und instinktsicheren Menschen erlebt. Wir haben oft darüber nachgedacht, wie es wohl gewesen wäre, wenn wir beide zusammengearbeitet hätten.

Peter Rotenbühler, im „Persönlich“-Blog:

Wenn es grosse Figuren gab in der jüngsten Schweizer Pressegeschichte, dann überragt einer alle andern: der legendäre Blick-Chef Peter Uebersax, der letzte Woche 87-jährig in den Armen seiner Ehefrau Christine gestorben ist. (…)

Uebersax spürte gewisse gesellschaftliche Tendenzen im Voraus, andere hat er verschlafen: das Waldsterben hat er schon als Lüge bezeichnet, als noch alle daran glaubten, das Aufkommen einer grünen Bewegung hat er aber etwas unterschätzt, in der Sexkolumne durfte von Homosexualität nicht die Rede sein. Dafür hat er früh erkannt, dass die Schweizer eine übergrosse Sensibilität gegenüber der Immigration haben. Und er sah früh, dass das Preisniveau in der Schweiz gegenüber dem Ausland zu hoch ist.

Nicht ganz so ausführlich äussert sich Ringier-Schweiz-und-Deutschland-CEO Marc Walder auf Tagesanzeiger.ch:

Peter Uebersax blieb sich ein Leben lang treu – als konsequent zuspitzender Journalist.

Und eine ganz andere Meinung zum Lebenswerk von Uebersax hat Jürg Frischknecht in der „WOZ“. Er bringt drei Beispiele, mit denen er die Faktentreue des damaligen „Blick“ anzweifelt. Frischknecht schreibt:

Trotz aller dokumentierten Fehlleistungen hielt sich in der Medienszene die Legende vom Top-Profi Uebersax. (…)

Der Tod von Peter Uebersax könnte für Medienschaffende ein Anstoss sein, über eigene blinde Flecken nachzudenken.

Sehr hörenswert sind übrigens die Ausschnitte, die das „Echo der Zeit“ aus dem Archiv ausgegraben hat. Und „10 vor 10“ analysiert, dass Peter Uebersax für „Blick“ DIE prägende Figur war:

10vor10 vom 25.10.2011

  1. Ich hatte das Glück unter Peter Uebersax den Journalismus zu erlernen und zu erleben. Es war eine wunderbare, aber harte Zeit. Ich bin Peter Uebersax ewig dankbar für alles.

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