NZZ-Mitarbeiterin harrt in Palästinenser-Gebieten aus

Geschosse auf Israel, Geschosse in den Gazastreifen. Fast täglich sterben palästinensische Zivilisten. Täglich erreichen uns die Meldungen – verfasst von Korrespondenten in der Sicherheit Tel Avivs oder Jerusalems. Nur ganz wenige Medienschaffende harren in den Palästinensergebieten aus. Eine davon ist Karin Wenger (27), die freie NZZ-Korrespondentin und Gewinnerin des Journalisten-Preises 2006, die dort Hintergrundberichte recherchiert.

   Wenger hatte Schlagzeilen gemacht, weil sie von der israelischen Armee an einem Check Point ungebührlich schikaniert worden ist. Auf Intervention von EDA und Foreign Press Association hat sich Israel entschuldigt. Doch als Wenger nach der Entgegennahme des Preises wieder in den Gazastreifen einreisen wollte, folgte die unschöne Überraschung: Israel verweigerte ihr die notwendige Pressekarte. Begründung: Wenger sei so oft für Berichterstattungen ein- und ausgereist, sie bedürfe nun einer Arbeitsbewilligung. Das hätte Wohnsitz und Krankenasse in Israel bedeutet, was unverhältnismässig gewesen wäre für Wenger, die sich jeweils nur ein paar Monate in den besetzten Gebieten aufhält. Auf Druck der Schweizer Botschaft und der NZZ erhielt sie dann nochmals eine Pressekarte für kurze Zeit.

   Was Wenger im Gazastreifen der letzten Wochen erlebte, beschreibt sie als «Krieg»:

«Am frühen Morgen reisst einen der Überschallknall israelischer Kampfflugzeuge im Tiefflug aus dem Schlaf. Regelmässig schlagen Artilleriegeschosse ein. Manchmal nur gerade 200-300 Meter entfernt. Israel sagt, es ziele auf Felder, doch die Splitter fliegen in weitem Umkreis. Die Menschen um mich hatten mehr als einmal Glück und wurden nur knapp verfehlt. Aus Helikoptern werden die Autos palästinensischer Kämpfer angegriffen. Ich bin nach dem Beschuss jeweils sofort hingefahren. Oft werden auch Zivilisten getroffen. Ich habe die Toten vor Ort gesehen, drei Kleinkinder, eines mit gespaltenem Schädel, und habe die Spitäler besucht. Das macht sehr nachdenklich. Vor allem auch die Kriegs- und Propagandalügen. Zum Glück gibts unabhängige Organisationen, die das untersuchen. Nachts hört man die israelischen Armeehelis übers Haus fliegen, fragt sich, wo sie gleich angreifen, sieht dann den Schein der Raketen. Das alles ist psychisch sehr anstrengend. Die Gewalt, das tägliche Blut – schwere Kost. Ich frage mich, wie das die Menschen überleben, die seit Jahren in Gaza gefangen sind. Und zum ersten Mal bin ich mir bewusst geworden, wie gefährlich die Arbeit hier ist.»

   Zur Zeit ist Wenger in Ramallah im Westjordanland, wo sie sich «Inseln der Ruhe» schafft, auch einmal einen Reitausflug unternimmt, vor allem aber für eine längere Geschichte recherchiert. Die Palästinenser behandeln sie freundlich, sind froh, dass eine westliche Journalistin ein wenig Arabisch spricht und über ihren schwierigen Alltag berichtet. Die Ausreise aus dem Gazastreifen hatte Wenger diesmal gut vorbereitet und mit der Schweizer Botschaft koordiniert. Sie konnte mit einer Gruppe Internationaler den Check Point passieren. Dabei stellte Wenger den Dienst habenden Offizier zur Rede. Er entschuldigte den Vorfall mit der Unerfahrenheit der beteiligten Soldaten.

   Wenger hat vor, noch bis August in den Palästinensergebieten zu bleiben. (sut.)