Objektiv mit geschlossener Blende

Das Zürcher Obergericht verbietet den Fernsehschaffenden da facto den Einsatz einer versteckten Kamera. Der SF-Chefredaktor und das Kassensturz-Team wurden zu hohen Geldstrafen verknurrt, weil sie einen Versicherungsmakler bei dessen zwielichtiger Tätigkeit Arbeit beobachtet haben. Ein zweiter Fall, in dem es um blanke Busen geht, schwelt noch.

Was haben wir früher gelacht über die Scherze hyperventilierender Moderatoren, die ihren Sketch jeweils mit dem gelüfteten Geheimnis um die versteckte Kamera krönten. Schöner liessen sich die Gefoppten nicht blossstellen. Damit wird nun, zumindest beim Schweizer Farbfernsehen, erst einmal Schluss sein, nachdem humorlose Zürcher Juristen dem listigen Treiben mit einem Verdikt ein Ende setzten. Das Zürcher Obergericht sprach Ueli Haldimann, Chefredaktor von Schweizer Fernsehen, den damaligen „Kassensturz“-Leiter und Juristen Hansjörg Utz (heute 10vor10), die Redaktorin Monika Balmer und die als Lockvogel eingesetzte Mitarbeiterin Fiona Strebel wegen unbefugten Aufnehmens von Gesprächen nach langer Beratung schuldig.

Die vier Verurteilten wurden mit bedingten Geldstrafen bei einer Probezeit von zwei Jahren bestraft: Ueli Haldimann mit 15 Tagessätzen zu 350 Franken, Hansjörg Utz mit 15 Tagessätzen zu 200 Franken, die zuständige Redaktorin mit 15 Tagessätzen zu 100 Franken und Fiona Strebel mit 5 Tagen zu 30 Franken. Damit hob das Obergericht auch das Urteil Bezirksgericht Dielsdorf von 2006 auf, das die Angeklagten freigesprochen hatte.

Natürlich wollen die Beklagten das skandalöse Urteil weiterziehen, nächste Station ist die höchstrichterliche Instanz des Bundesgerichts. Denn die Oberrichter argumentierten, die Wahrung öffentlicher Interessen reiche nicht als  Rechtfertigungsgrund für das unbefugte Aufnehmen von Gesprächen aus. Laut Obergericht hätte das Team auch andere journalistische Wege beschreiten können, um unseriösen Methoden aufzuzeigen.

Erst letzte Woche machte ein weiterer Fall Schlagzeilen: Die Zürcher Staatsanwaltschaft, ebenfalls wegen des Einsatzes mit versteckter Kamera erhob Klage gegen vier SF-Mitarbeiter, darunter wiederum Chefredaktor Ueli Haldimann und der heutigen Leiter der Kassensturz-Redaktion, Wolfgang Wettstein, und fordert hohe Strafen.

Hier geht es um die nackte Brüste der jugendlichen Miss Aargau, die ein Schönheitschirurg, von den Fernsehleuten hierzu indirekt aufgefordert, unsittlich betatscht haben soll. Ein gefunden Fressen für die empörte Volksseele, und für die Journalisten, die darüber berichten durften („Titten ziehen immer“). Die fraglichen Beiträge hatte Haldimann vor der Ausstrahlung visioniert und sein ausdrückliches OK gegeben.

Das Vorgehen von Anwälten und Richtern gegen SF dürfte der Form der Recherche vorerst ein Ende setzen. In der Begründung des Obergericht zum ersten Fall, befanden die Juristen, es sei nicht Aufgabe der Medienschaffenden Beweismittel für ihre Berichte beizubringen. Doch gerade bei groben Missständen kommt man gar nicht darum. Denn wer nicht belegen kann, was er anderen vorwirft, steht am Ende vor den gleichen Richtern, die solchen Unsinn von sich geben. (pv.ch)