Reporter sind auch Bürger!

Viele Sportreporter ziehen los, um über die olympischen Spiele zu berichten. Sollen sie sich dabei auf sportliche Leistungen beschränken und die anderen Realitäten Chinas ausblenden? Diese Frage stellt man sich in zahlreichen westlichen Redaktionen. Dazu ein Standpunkt von Gérald Sapey, Präsident von Reporter ohne Grenzen hier in der Schweiz.

Diese Frage hat verschiedene Facetten : Die Spezialisierung vieler Journalisten, die es ihnen erschwert, sich anderen Themen zu widmen. Die Meinungsäusserungsfreiheit, auf der die Medienberufe aufbauen. Die zwei Identifikationen jedes Resporters als Journalist und als Bürger. Die Hindernisse, welche die chinesische Regierung jenen in den Weg legen wird, deren Neugier sie als deplaziert oder gar als feindlich einschätzt. Die übermässige, ja übertriebene Vorsicht des internationalen olympischen Komitees, das nicht auf der Freiheit der Reporter besteht, über etwas anderes als die Spiele selbst zu berichten. Der Wille der demokratischen Medien, Menschenrechtsverletzungen aufzudecken. Die Berücksichtigung einiger bereits erfolgter Schritte auf dem Weg zu einer demokratischeren Gesellschaft. Der Stolz und die Freude des durch die Spiele geehrten chinesischen Volkes. Das Problem Chinas mit dem Rest der Welt führt uns zu all diese Fragen!

Klar ist, dass den westlichen Medien der Entscheid über ihre Haltung gegenüber China nicht einfach gemacht wird, und dies aus zwei Gründen.

Je nach ihrem Entscheid müssen sie damit rechnen, von Sicherheitskräften behindert zu werden. Das kann soweit gehen, dass Medienschaffende ganz davon abgehalten werden, ihre Mission als Sportreporter zu erfüllen. Biegen sie sich hingegen dem Druck, so heisst das gleichzeitig, wider besseres Wissen um ihre Grundrechte zu akzeptieren, dass eine externe Macht wie der Staat ihre berufliche und persönliche Freiheit einschränken kann.

Reporter ohne Grenzen ist sich all dieser Schwierigkeiten natürlich bewusst. Aber die Organisation geht davon aus, dass jeder Journalist auch ein Bürger ist. Und als solcher darf er sich gegenüber Menschenrechtsverletzungen, denen seine Zeitgenossen zum Opfer fallen, nicht unsensibel zeigen. In diesem Sinne ist der aktuelle Kampf von Reporter ohne Grenzen nicht ein Engagement zugunsten der Tibeter, sondern ein Engagement für die Respektierung von Menschenrechten.

Reporter ohne Grenzen möchte den Journalisten ihren Entscheid nicht vorschreiben. Es reicht, nicht zu vergessen: Tötest Du die Pressefreiheit, tötest Du damit alle anderen Freiheiten.

(Gérald Sapey / Sinngemässe Übersetzung: Urs Thalmann)

                 
                          (Bild: rollmops.wordpress.com)