Res publica

„Tagi“-Chefredaktor Res Strehle findet sich auf der Titelseite der „Weltwoche“ – mit einem Polizeifoto von 1984, das er selbst noch nie gesehen hat. Auf den Artikel von Philipp Gut folgen Klageerwägungen und Diskussionen.

Res gegen Roger
„Res gegen Roger“ (Bildmontage), via Beat Matter auf Twitter

Die Ausgabe 6/2013 der „Weltwoche“ ist mal wieder guter Diskussionsstoff, zumindest unter Journalisten. Prangt doch auf dem Titel ein Foto von Res Strehle, als er noch rund halb so alt war als er jetzt ist. Es ist ein Polizeifoto, und aufgenommen wurde es am 12. Januar 1984.

Philipp Gut, stv. Chefredaktor der „Weltwoche“, schreibt:

Am 12. Januar 1984 wird der damals ­32-jährige Strehle in Zürich verhaftet. Das zeigen Dokumente und Originalfotos der Polizei, die der Weltwoche vorliegen. «188 cm, dunkelblond, geboren am 25.3.1951», vermerkt die Akte.

Res Strehle hat es so in Erinnerung:

Es war 1984 entstanden nach einer festlichen Nacht in einem besetzten Haus am Zürcher Stauffacher. Rund siebzig Personen waren damals verhaftet und fotografiert worden. Ich habe dieses Foto nie gesehen − nun hat es offenbar den Weg aus dem Archiv der Stadtpolizei zur «Weltwoche» gefunden.

Ich finde es durchaus interessant, etwas über das politische Vorleben eines Journalisten zu erfahren, der eine grosse Schweizer Zeitung führt. Doch nach der Lektüre des „Weltwoche“-Artikels „Der süsse Duft des Terrorismus“ frage ich mich, was denn nun Res Strehle überhaupt genau vorgeworfen wird. Gibt es etwas, das er persönlich zu verantworten hat, das über die Nähe, Sympathie und Unterstützung einiger teilweise krimineller Personen hinausgeht? Und welche Details hat Eugen Sorg vor einem Jahr in der „Basler Zeitung“ noch nicht geschrieben? Eine Auslegeordnung wird aufwändig sein – aber vielleicht hat ja jemand die Energie dafür.

Die NZZ jedenfalls vermisste bei Gut’s Geschichte die harten Fakten:

Sie führte eine Art suggestiven Indizienprozess. Handfeste Beweise legte sie nicht vor.

Der Artikel habe „mit der Realität wenig, mit politischem Kampagnenjournalismus aber viel zu tun“, schreibt Strehle, der sich in den ihm von der „Weltwoche“ zugestandenen drei Stunden (Darstellung Strehle) nicht dazu äussern wollte. Er denkt nun ernsthaft über eine Klage oder den Gang zum Presserat nach.

Geht die ganze Diskussion über das Interesse von Journalisten hinaus? Ja, dazu muss man nur die „Tagi“-Leserkommentare lesen:

Screenshot tagesanzeiger.ch

Es trudeln weitere Bekenntnisse ein:

Und es gibt andere Stimmen dazu:

Die bisher lustigste Anekdote zum Thema erzählt Gian Trepp, der über „Terrorismus und Journalismus – Der Fall Res Strehle“ folgendes bloggt:

Dazu muss man wissen, dass die von Strehle 1981 mitbegründete Wochenzeitung WOZ seit 1984 einen Machtkampf von epischer Dimension durchlitt, der 1986 mit dem Abgang der unterlegenen, Strehle-geführten, linksrevolutionären Fraktion endete. Zentraler Streitpunkt, neben Politpositionen wie „Waffen für El Salvador“, war die Anschaffung eines Computers für die Administration. Zur Hölle mit dieser Ausgeburt des Schweinesystems, sagte damals die Strehle-Fraktion, damit werden nur die Revolutionäre ausspioniert.

Ein Detail der Geschichte hat die „Weltwoche“ korrigiert:

Anders als im Artikel dargestellt, ist der Terrorist Daniele von Arb nicht identisch mit dem in der Weltwoche abgebildeten und zusammen mit Strehle verhafteten Hausbesetzer Daniel von Arb. Wir bedauern diese Verwechslung. Wir werden das Thema in der nächsten Ausgabe weiterführen.

So schnell wird die Diskussion also nicht vorbei sein. Nach den Berechnungen von Rainer Stadler wird sie rund 10 Tage dauern. Sagen wir: mindestens 10 Tage.