Revolverblatt Weltwoche

Auf dem Titelblatt der neusten Ausgabe der „Weltwoche“ richtet ein 2008 im Kosovo fotografiertes Kind eine Faustfeuerwaffe auf den möglichen Käufer. Leser und Nichtleser sind darüber empört.

Die Roma kommen: Raubzüge in die Schweiz - Titelblattausschnitt der "Weltwoche"

Die „Weltwoche“ wünscht Frohe Ostern. Mit einem Kind, das mit einer Pistole direkt auf den Betrachter zielt.

Was auch immer jene, die bei der „Weltwoche“ das Titelblatt auswählen, erreichen wollten. Erreicht haben sie, dass sich seit Erscheinen dieses Titelblatts sehr viele Leser und, durch die Kraft der Sozialen Netzwerke, auch sehr viele Nichtleser darüber aufregen.

Die Empörung wird meistenteils wieder verpuffen. Ob neue Leser damit hinzugewonnen werden können, ist allerdings sehr fraglich. Immerhin ein Wiener konnte zum Kauf verleitet werden. Er investierte 4,40 Euro in die Zeitschrift – nur um mit ihr zur Polizeidienststelle zu laufen und dort Anzeige wegen Verhetzung zu erstatten (Blogbeitrag dazu auf profil.at). Es handelt sich beim Anzeigeerstattenden um den „Profil“-Journalist Klaus Kamolz (diepresse.com).

Wie Peter Hossli twittert, zeigt die Aufnahme von Livio Mancini ein Roma-Kind 2008, allerdings nicht eins in der Schweiz, sondern eins, das im Kosovo in einer Abfalldeponie leben muss. Die Bildunterschrift lautet:

In the outskirts of the Kosovar city of Gjakova (Djakovica in Serbian), a group of Roma kids live with their families in a slum built over a garbage dump. Moved after the war, they survive by sorting through and selling recyclable trash. Neither Kosovar or Serbian, this ethnic group has always been shunned. These Roma children only know life in the dump, a poisoned and diseased playground.

Die Untertitel („Die Roma kommen“, „Raubzüge in die Schweiz“, „Familienbetriebe des Verbrechens“) können sehr gut als Pauschalurteile verstanden werden, dazu muss man niemandem besondere Fantasie zuschreiben.

Die Reaktionen von Journalisten bei Twitter auf das Titelbild sind durchs Band negativ:

Sibylle Berg sieht ein „titelblatt auf dem neuen stürmer“.

Robert Misik: „seht euch mal das titelbild der weltwoche an. sowas hats nach 1945 in europa wohl nimmer gegeben.“

Dirk von Gehlen: „Ein solches Cover wie das der dieswöchigen ‚Weltwoche‘ hat es in Westeuropa nach 1945 wohl nicht mehr gegeben.“

Christof Moser: „So viel Rassismus war noch nie in einem Schweizer Medium.“

Heftige Kommentare auch auf Facebook. Robert Misik hält ausserdem Roger Köppel für einen „kriminellen Ausländer“, er habe „jetzt endgültig den schmalen Grat überschritten, der den Populismus vom Rechtsradikalismus trennt“. Die Jungen Grünen schreiben offene Briefe. Und so weiter, mehr wird folgen, Roger Köppel wird die nächsten Tage wohl mit oder ohne seinen Willen einige Zeit mit dem Thema Rassismus und Aboabbestellungen verbringen.

Ich finde: mit so einem Titelbild schürt man nur Emotionen – und erntet nur Empörung. Vielleicht gewinnt man ein paar Impuls-Kioskkäufer, doch dem durchaus wichtigen Thema der Kriminalität wird man so nicht gerecht. Den mühsam erarbeiteten Ruf des Blatts als humorvoll-liberales-seriöses Nachdenkorgan gefährdet man völlig unnötig.

Überhaupt: Welche Mutter wird wohl eine „Weltwoche“ in ihrem Haus herumliegen haben wollen, auf dem ein Kind jeden, der vorbeiläuft, erschiessen will? Und selbst das geht schöner, wie der Entwurf von Stefan Bachleitner zeigt:

Revolverblatt Weltwoche