Alles Google oder was? Der Ringier-Verlag versucht, den Suchmaschinen-Konzern zu bekämpfen – und ist gleichzeitig ein guter Kunde dieser Firma. Geht das zusammen?
Recherchieren, mailen, zwitschern, chatten, teilen und weitergeben – all das wird bei Ringier künftig unternehmensweit mit Google-Applikationen gemacht. Die „Datenkrake“ hat also den grössten Schweizer Verlag im Griff. Oder umgekehrt? Die Medienschaffenden beim grössten Verlag haben ihre Daten künftig dank Google im Griff. Was bedeutet der Deal?
Errinnern wir uns: Als die Fragestunde beim Communication Summit 2010 begann, erkundigte sich Patrick C. Price bei Ringier-CEO Marc Walder, ob er es nicht „schizophren“ finde, wenn Ringier einerseits auf „Blick Online“ Google-Anzeigen schalte und andererseits Google bekämpfen wolle, da diese angeblich Geld verdienen würden mit ihrem Angebot „Google News“ (was nicht wahr ist, hierzulande ist „Google News“ werbefrei).
Schizophren sei das nicht, sagte Walder, und er machte ganz den Eindruck, als würde er gar nicht verstehen, wie man auf so etwas überhaupt kommen könne. Richtig, „schizophren“ ist definitiv der falsche Ausdruck – aber ist es nicht widersprüchlich, sich so zu verhalten?
Im Fall eines Klicks auf eine Google-Anzeige auf „Blick Online“ verdient sowohl Ringier als auch Google Geld, im Einzelfall „lousy pennies“, zusammengenommen aber gar nicht so wenig vermutlich. Und jetzt erreicht uns auch noch die Meldung, dass Ringier per sofort konzernweit die E-Mail-Lösung „Google Apps“ verwenden will – rund eine Million Franken wird der Verlag so einsparen können.
Ringier als zufriedener, beklauter Kunde
Ringier ist also offenbar zufriedener Kunde der Dienstleistungen von Google. Gleichzeitig aber sagt Marc Walder Sätze wie: „Es gibt einen gigantischen, lebenswichtigen Konflikt zwischen Google und den Verlagen.“ Und: „Google muss verstehen, dass die Verlage nicht wollen, dass ihnen die Inhalte ‘geklaut’ werden.“ Weiter erzählte er am Communication Summit, wie er und seine Arbeitskollegen aus dem Ringier-Management oft bei bei Google Schweiz seien. Nur: „Das bringt nicht viel.“
Google sollte sich nicht einschüchtern lassen von den Drohgebärden der Verlage. Wer etwas veröffentlicht, sollte damit rechnen, zitiert zu werden. Nichts mehr macht Google mit seiner Suchmaschine und dem Angebot „Google News“. Wenn diese Schnipsel dem Leser tatsächlich ausreichen sollten (was offenbar nicht so ist, denn ein guter Teil des Traffics der Verlage stammt von Google), dann ist das ein Problem der Verlage. Vielleicht sollte man dann mehr investieren in Geschichten, die Leser tatsächlich lesen wollen und nicht in Geschichten, von denen den Lesern die Schlagzeile reicht.
Nicht lamentieren – handeln!
Anstatt allen dauernd in den Ohren zu liegen, wie böse Google doch ist, ein erfolgreiches Geschäftsmodell zu betreiben, würden die Verleger besser mal ernst machen und handeln:
1. Das Angebot von Google annehmen und alle produzierten Inhalte Google nicht länger zugänglich machen. Es ist nämlich sehr einfach, Suchmaschinen auszusperren, man muss nur eine Änderung in der Datei robots.txt vornehmen.
2. Wenn schon Google dauernd beschuldigt wird, Inhalte zu „klauen“, dann sollte die Firma auch endlich mal verklagt werden – auf eine Entscheidung des Gerichts wäre ich gespannt. (pv.ch/RG)
Ringier sattelt auf Google Apps um (Kommentar von Axel Postinett, blog.handelsblatt.com)