Schreiben macht arm

Journalismus gilt (nicht nur) unter jungen Leuten immer noch als Traumberuf. Eine freie Autorin, die sich seit 10 Jahren mit Gelegenheitsaufträgen durchschlägt, warnt davor, ihn zu ergreifen. In der «Zeit» erzählt sie ihre bewegende Geschichte. Dafür erhielt sie – immerhin – ein wenig Geld.

«Heute ist der Tag, an dem ich nicht mehr aufstehen will, denn ich habe seit einer Woche kein Geld mehr und glaube auch nicht, dass nächste Woche welches kommt. Jeden Morgen schaute ich angespannt auf mein Onlinekonto, ob endlich das Honorar von Zeitung X oder Y eingegangen ist, doch dies war nicht der Fall, obwohl mir die Redaktoren die Überweisung schon vor Wochen zusagten.»

Gabriele Bärtels, dir ihre eigene Story für die Wochenzeitung «Die Zeit» festgehalten hat, schreibt seit 10 Jahren für unterschiedliche Medien. Woche für Woche bietet sie ihre Texte an, die im Urteil ihrer Abnehmer gut sind, aber offenbar nur wenig (Honorar) wert. Nur jeder zweite Artikel wird abgedruckt, entlohnt zu Ansätzen, dir ihr ein menschwürdiges Auskommen nicht mehr erlauben.

Ihr Fall, obwohl in Deutschland handelnd, ist typisch auch für hierzulande tätige, gänzlich freie Journalistinnen und Journalisten. Sie spüren den Spardruck unmittelbar, sind abhängig von ihren Kontaktleuten auf den Redaktionen, bei denen sie sich nicht beschweren kann, dass der Text – obwohl fest abgemacht – immer noch nicht erschienen ist.

«Als ich vor rund zehn Jahren begann, als freie Autorin zu arbeiten, glaubte ich, endlich den idealen Beruf für mich gefunden zu haben, denn das Beste, was ich hatte, waren mein Schreibtalent und mein Ideenreichtum.» Heute ist sie verbittert, traut sich nicht einmal mehr,  mit Freunden zu einer Tasse Kaffee abzumachen. Es nage an ihrem Stolz, jedes Mal offen oder durch die Blume sagen zu müssen , dass die anderen die Getränkerechnung übernehmen müssten.

Die Verhältnisse in Deutschland sind um einiges härter als in der Schweiz. Die Zeitungen dort zahlen Zeilenhonorare: «Ein Text, der mich alles in allem drei bis vier Tage Arbeit gekostet hat und in der Zeitung eine Seite einnimmt, bringt ungefähr 250 Euro ein. Auf der Internetseite dieser Zeitung wird er dann auch noch veröffentlicht, dafür sehe ich allerdings kein Geld mehr, denn so steht es in den Geschäftsbedingungen.» Erscheint ein Text von Gabriele Bärtels bei Online-Publikationen, gibt es höchstens 200 Euro, auch dann, wenn die Website Millionen von Besuchern hat. Von den Redaktoren, die sich dafür entschuldigen, hört sie am Ende «Wir können ja auch nichts dafür». (pv.ch)


„Heute ist der Tag, an dem ich nicht mehr aufstehen will.“
Carl Spitzweg: Der armer Poet (The York Project)