Tagi-Magi schliesst sich auf dem iPad ein

„Das Magazin“ gibt es online per sofort nur noch kostenpflichtig auf einem Gerät der Firma Apple. Viele Leser, auch zahlungswillige, verabschieden sich.

Das Magazin auf dem iPad

Vor einigen Monaten war es die „Weltwoche“, die ihre frei zugänglichen Inhalte online auf ein Minimum herunterfuhr. Von den gedruckten Inhalte sind nur noch sehr wenige für Nicht-Abonnenten verfügbar. Ergänzt werden sie durch gelegentliche Nur-Online-Inhalte.

„Das Magazin“ schränkt die Online-Leserschaft drastischer ein: Um die Inhalte lesen zu können, muss man sich erst für mindestens 649 Franken einen Tablet-Computer der Firma Apple, ein iPad, anschaffen. Und dann für 1.10 Franken die iPad-Applikation herunterladen. Dafür gibt es dann „alle Inhalte des gedruckten Heftes“ und auch „zusätzliche Texte, Bilder und Videoclips“.

Rechnen wir mal: Rund 50’000 iPads wurden bisher in der Schweiz verkauft. Sagen wir: Jeder zehnte von ihnen kennt das „Magazin“. Und von denen ist jeder zehnte bereit, regelmässig dafür Geld auszugeben. Dann erlöst „das Magazin“ vielleicht pro Woche 500 x 1.10 = 550 Franken. Wenn man dann davon noch den Anteil an Apple, der nicht nur rund 30, sondern netto rund 42 Prozent sein soll, abzieht, bleiben um die 1000 Franken Einnahmen pro Monat (wenn ich falsch rechne, bitte kommentieren).

Der Preis dafür:

  • Keine Links mehr auf das eigene Angebot
  • Keine Kommunikation mehr mit den Lesern
  • Keine Online-Einnahmen mehr (ausser für die dann mit harten Zahlen belegten Bezahlleser des iPads)
  • Keine freie Werbefläche mehr für die eigenen Texte, die neue Leser vom publizistischen Angebot überzeugen könnten
  • Bezahlenden Print-Abonnenten sind die Texte online nicht mehr zugänglich
  • Wirtschaftliche und publizistische Abhängigkeit von der Firma Apple (Gerade bei Illustrationen von sexuellen Themen schlägt da öfters der Zensur-Hammer zu)
  • Mutmasslich hohe Entwicklungskosten für die iPad-App
  • Kunden, die das (teurere) Print-Abo zugunsten der (billigeren) iPad-App kündigen

Es gibt natürlich auch Vorteile. Der Ärger mit Lesern, die Artikel kritisch kommentieren, entfällt so. Wenigstens auf der eigenen Website.

Mein Fazit: „Das Magazin“ verabschiedet sich aus dem offenen Web in eine Zukunft, die von der Firma Apple abhängt und vergrault damit einige Leser. Für Einnahmen, die (noch) mehr als fragwürdig sind. Denn Einnahmen in der selben Grössenordnung hätte eine Alternative wie das Mikrobezahlsystem Flattr vielleicht auch gebracht. Nur ohne den Preis, den man jetzt bezahlt.

Ein paar Stimmen dazu aus den Kommentaren bei dasmagazin.ch. Viele Leser sind offensichtlich gewillt, für Inhalte zu bezahlen. Das aus den Printverlagen in den letzten Monaten zu hörende, immer lauter werdende Mantra, die Leser sollen sich endlich daran gewöhnen, für gute Inhalte zu bezahlen, ist also vielleicht gar nicht nötig.

Ich bezahle noch so gerne – aber nicht an Apple.

FLCU

Nun soll ich noch so ein birnweiches Apparätli kaufen und für jede Ausgabe zusätzlich zahlen?

Peter Rossel

Ich hätte heute den Betrag von CHF 1.10 bezahlt. Dann merkte ich, dass die Ausgabe nur für IPads erhältlich ist, und musste es sein lassen.

Peter Steiner

1 Franken 10 für das Magazin ist fair, aber ein iPad kaufen will ich wirklich nicht.

baziliscus

Selber bin ich ein grosser Fan von Apple-Produkten, aber die Strategie hier ist einfach nur vorschnelles Hype-Feeding und schürt nebenbei noch Vorurteile (gegen Apple und gegen die Medienhäuser).

Chicken

Da es der Tagi leider nicht hierher zu mir ins Ausland schafft, habe ich es sehr geschätzt, einen Teil des Magazins online lesen zu können. Dem sage ich jetzt halt ade.

Moni Ka

Die App an sich wird übrigens bisher als zufriedenstellend bis gut bewertet, man sie im iTunesStore kaufen.

Weitere Artikel, inklusive Diskussionen dazu:

«Das Magazin» nur noch kostenpflichtig und ausschliesslich für iPad (macmacken.com)
«Das Magazin», brought to you by Apple … (medienspiegel.ch)
“Das Magazin” digital nur noch per iPad? (wiget.org)

Nachtrag, 16 Uhr: Barnaby Skinner von der „Sonntagszeitung“ nimmt die Diskussion auf und antwortet auf den Beitrag.

  1. Seit Jahren sind die Online-Angebote stark defizitär bei den meisten traditionellen Zeitungs- und Magazinverlagen rund um den Globus. Zudem mischen sich neu Technologieunternehmen wie Google mit News mit in den Markt. Der Markt für Mobile ist noch offen, aber mit veralteten Konzepten hat man keine Chance in der mobilen Welt. Vielmehr braucht es eine originelle Strategie basierend auf den eigenen Stärken und der Lokalität.

  2. Absolut unverständlich, dass sich ausgerechnet Das Magazin, als Plattform des freien Journalismus und Grundlage offener Diskussionskultur, der offenen und freien Welt verschliesst, um sich praktisch Apple einverleiben zu lassen.

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