Tagi nennt Sponsoren

Einladungen von Firmen und Verbänden, PR-Beratern und staatlichen Organen sind eine feine Sache. Sie schonen das eigene Budget und das der Redaktion, in vielen Fällen machen sie einen Artikel überhaupt erst möglich. Statt wie bisher in einzelnen Fällen will Tages-Anzeiger-Chefredaktor Peter Hartmeier jetzt Sponsoring in Form von Pressereisen direkt bei den Artikeln anbringen lassen. Durchgängig umsetzen lassen dürfte sich dieser hehre Anspruch nicht.

Am stärksten mit dem Phänomen zu kämpfen haben die Motorjournalisten. Viel beschäftigte Profis sind ständig unterwegs, um die von den Herstellern grosszügig in Szene gesetzten Neuheiten zu testen und darüber hernach in lobenden Worten zu berichten. Da geht es schon mal auf ein Lustreislein in die Sahara, mit Zwischenladung auf einem Testgelände. Nicht selten geben Firmen mehrer Hunderttausend Franken für solche Ausflüge aus, nur um die mitgereiste Schreibenden (und den PR-Chef) glücklich zu machen.

Auch die Reisejournalisten wissen von dem Dilemma zu berichten, wie erst kürzlich in diesen Spalten zu lesen war. Doch selbst die besonders kritischen Bundeshaus-Reporter nehmen gerne die Aufforderung von Bundesräten an, sie auf einer wichtigen Dienstreise zu begleiten. Einladungen, und seien sie nur zum opulenten Lunch, sind in der Branche gang und gäbe. Ein erheblicher Teil von Artikeln aller Art entsteht auf irgendeine Weise von versuchter oder vollendeter Beeinflussung.

Der Tagi will ab sofort solche Praktiken offen legen, zumindest bei (allen) Beiträgen, die im Rahmen von Pressereisen entstanden sind. Reporter Andreas Flütsch liess sich – mit anderen Kollegen – vom Industriekonzern ABB moderne Fabriken in Schweden zeigen – und schreib im Bericht darüber diese Woche, dass seine Recherche im Rahmen einer von dem Unternehmen organisierten Medienreise zustande kam. Für Chefredaktor Peter Hartmeier entspricht diese Form der Transparenz „eigentlich dem gesunden Menschenverstand“, wie er dem Branchendienst Klein Report sagte. „Wenn man die Quelle offen legt, ist es kein Problem mehr“. Ab sofort mögen sich alle Ressorts an die Weisung halten, dekretiert der Chef auf indirektem Weg.

Kein Problem mehr? Selbst innerhalb der Tagi-Redaktion ist die Skepsis gross, ob die Vorgabe tatsächlich praxisgerecht umzusetzen ist. Wo ist die Grenze zu ziehen? Ist ein solcher Disclaimer nur für Auslandreisen anzubringen? Nur dann, wenn die von Firmen bezahlt werden? Was ist, wenn der Ausflug oder ein grosser Teil der Spesen von der Redaktion bezahlt wird, aber eben nicht alles? Wie geht man mit Beiträgen von Freien um, die erst Recht auf diese Art des Sponsorings angewiesen sind? 

Schon am nächsten Tag zeigt der Tagi, wei schwierig die Aufgabe ist: Die TA-Autoredaktoren Dieter Liechti und Peter Hegetschweiler, denen eine besondere Nähe zur Industrie nachgesagt wird, loben neue Autos aus dem Hause Opel und Ford. Müssten sie nun bei nächster Gelegenheit anfügen: „Dieser Fahrbericht kam mit freundlicher Unterstützung der Werbeabteilung von XY zustande. Die Reise erfolgte im Firmenjet, genächtigt wurde in 5-Stern-Hotels, das Fahrzeug zur privaten Nutzung überlassen.“? (pv.ch)