Tamedia-Verleger Pietro Supino stellt eigene Zitate in eigener Zeitung richtig

Tamedia-Verleger Pietro Supino erhält im eigenen „Tages-Anzeiger“ fast eine ganze Spalte, um Ex-Tagi-Chefredaktor Peter Studer richtigzustellen, der zitiert hatte, was er gar nicht geschrieben hatte.

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Pietro Supino (Foto: Tamedia)

Die Story nahm ihren Ursprung am 1. Juni 2015, als Peter Studer in einem Beitrag auf der Tages-Anzeiger-„Analyse“-Seite das Buch „Weniger Staat, mehr Fernsehen“ angriff:

Tages-Anzeiger vom 1. Juni 2015
Tages-Anzeiger vom 1. Juni 2015

Wer unter dem Titel „Feuer frei auf die SRG“ erwartet hatte, dass das Buch in einer substanziellen Kritik nach Strich und Faden auseinander genommen wird, sah sich bei der Lektüre enttäuscht. Die angekündigte „Propaganda für die Abschaffung der SRG“ wurde von Peter Studer, Ex-Chefredaktor des Tages-Anzeigers und des Schweizer Fernsehens, überhaupt nicht belegt.

Sein Text erwähnte die Inhalte der meisten Beiträge im Buch mit keinem Wort und schnitt lediglich zwei der Beiträge aus dem Buch oberflächlich an: Einerseits das Stück von CVP-Nationalrat Gerhard Pfister, anderereits das Stück von Tamedia-Verwaltungsratspräsident Pietro Supino. Studer schrieb:

Argumentative Haken schlägt auch Pietro Supino, Verleger der mächtigen Tamedia (und damit Herausgeber dieser Zeitung). Einerseits beklagt er das «in der Tat unglückliche Referendum des Gewerbeverbands gegen die neue Gebührenordnung». Handkehrum empfiehlt er «eine Untersuchung, welche Inhalte … von ‹Tagesschau› oder ‹10 vor 10› nicht auch durch das multimediale Angebot von ‹20 Minuten› abgedeckt werden».

Das angebliche Zitat von Supino sucht man im Buch vergeblich. Stattdessen steht dort (auf den Seiten 131/132):

«Beispielsweise wäre interessant, einmal zu untersuchen, welche Inhalte der Radionachrichtensendungen, der ‹Tagesschau› oder von ‹10 vor 10› nicht auch durch das multimediale Angebot von ‹20 Minuten› abgedeckt werden, das im Übrigen noch am ehesten eine landesweite Integrationsfunktion wahrnehmen kann.»

Heute, am 6. Juni 2015, erhält Pietro Supino auf der Meinungsseite fast eine ganze Spalte zur Richtigstellung:

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Richtigstellung im Tages-Anzeiger vom 6. Juni 2015

Dass manche Journalisten nicht immer ganz genau zitieren, das hat wohl jeder schon mal gemerkt, der mit Medien zu tun hatte. Aber die Möglichkeiten eines Pietro Supino hat halt eben nicht jeder. Eine nachträgliche Anmerkung im fehlerhaften Beitrag von Studer sucht man vergeblich. Der Fall betrifft nicht nur den „Tages-Anzeiger“, sondern auch die Berner Zeitung „Der Bund“.

Wenn man dem Journalismus etwas wünschen würde, dann sind es Journalisten, die tatsächlich auch das zitieren, was geschrieben wurde. Mehr Richtigstellungen (auch ohne Druck des Verlegers). Und „Analysen“, die wenigstens ansatzweise das halten, was ihre boulevardesken Übertitel versprechen.

Offenlegung: Ronnie Grob hat einen der Beiträge im Buch „Weniger Staat, mehr Fernsehen“ verfasst und dafür ein Honorar erhalten.