Tatort Zürich

Willi Wottrengs neues Buch greift Kriminalfälle auf, die in der Limmatstadt für Aufsehen sorgten.

Ausgerechnet in der „Weltwoche“, die ihren einstigen Redaktor Willi Wottreng einst entlassen hatte, weil er als ehemaliger Achtundsechziger offenbar unter Ideologieverdacht stand, ist sein neueste Buch zur Zürcher Kriminalgeschichte in überraschenden Tönen gerühmt worden: „Wenn es für Fachbücher schreibende Journalisten bezüglich Sorgfalt der Recherchen und Genauigkeit der Quellen eine Messlatte gibt, heisst sie Willi Wottreng.“ So schreibt Kolumnist Peter Holenstein.

Das Buch des heutigen „NZZ am Sonntag“-Redaktors Wottreng zeichnet anhand von 24 Kriminalfällen und ebenso vielen assoziativen Exkursen so etwas wie eine Mentalitätsgeschichte der Gesellschaft über hundert Jahre und ist damit mehr Kulturgeschichte als Krimi. Delektieren mag man sich am 11-seitigen Quellenverzeichnis, das von der Bemühung zeugt, in jeder Geschichte noch einige Trüffel mehr auszugraben. Einige Prozessakten hat der Autor offensichtlich über persönliche Beziehungen erhalten, etwa für die Geschichte über die Tötung von Drogendealern in der Zürcher Lettenszene, bei der das Gericht nach Wottreng ein Fehlurteil fällte.

Einer der Kriminalfälle – ein Kindsmissbrauch durch eine Zürcher Unternehmerpersönlichkeit Anfang 20. Jahrhundert – gab einer neu entstehenden Zeitungsgattung Aufschwung: es war die erste Boulevardstory, die der Leserschaft in Fortsetzung, mit gehörigem emotionalem Schaum und unter Zitierung verschlossener Dokumente präsentiert wurde. Ein Stück Schweizer Pressegeschichte. (pv.ch)

Willi Wottreng: «Verbrechen in der Grossstadt». Kindsmörder, Hochstapler, Drogendealer – eine Kriminalgeschichte der Stadt Zürich. Orell-Füssli-Verlag, Zürich 2009, 272 Seiten, mit 60 Schwarz-Weiss-Fotografien, Fr. 39.90, ISBN 978-280-06118-3ww2.jpg

Willi Wottreng