Verzweifelt gesucht: Klickende Leser

Die Erwartungen an die Wirksamkeit von Online-Werbung sind sehr hoch. Darum versuchen Websites ihre Leser immer verzweifelter dazu zu bringen, die Werbung auch aktiv wahrzunehmen.

Es ist seltsam. Werbung in Zeitungen und Zeitschriften kann man nur ansehen, nichts mehr. Gut, man kann sie herausreissen und an die Wand hängen zum Beispiel. Aber man kann sie nicht anklicken, um mehr zu erfahren über das angebotene Produkt. Um vielleicht gleich einen Geschäftsabschluss zu vollziehen.

Bei Werbung im Internet geht das. Könnte man nun nicht erwarten, dass die Werbetreibenden in Verzückung geraten ob diesen fantastischen Möglichkeiten? Leider ist es nicht so. Denn: Weil sie messen können, an wieviele Leser eine Werbung ausgeliefert wurde, wieviele dieser Leser auf die Werbung geklickt haben, gar, wieviele Leser gleich ein Produkt erworben haben, sind sie unzufriedener als zuvor. Und: Sie wollen auch noch viel weniger zahlen als für jene Werbeform, die man nicht anklicken kann.

Riesige Erwartungen an die Wirksamkeit
Die Erwartungen an die Wirksamkeit von Online-Werbung sind unglaublich hoch. Es werden Ziele formuliert, die so bei Print-Werbung nie Thema waren. Die Online-Angebote, unter Druck durch die (noch) fehlenden Einnahmequellen, versuchen darum verzweifelt herauszufinden, wo es denn weitere Einnahmequellen geben könnte. Vielleicht von den Lesern selbst, darum erkundigt sich das Newsnetz per Umfrage, ob und wieviel sie für eine Ausgangs-App des „Züri-Tipp“ für das iPhone zahlen würden.

Und die Web-TV-Show „Ehrensenf“ fordert seine Zuseher dazu auf, die Werbung gefälligst auch anzuklicken. Denn vermutet wird, dass diese zu schlau dazu sind. Das Werbenetzwerk Chitika hat nämlich herausgefunden, dass die Leser in US-Staaten mit wenig College-Abschlüssen besonders gerne und oft klicken, also auch auf Werbung, versehentlich oder nicht. Oder wie es ein Blog formuliert: „Dumm klickt gut“.

Wer Journalismus auch online betreiben will, darf nicht auf jede Idee der Werbetreibenden eingehen. Es geht um die Glaubwürdigkeit. Ist die erstmal dahin, dann verlieren die Zeitungs-Websites noch ihren letzten Vorteil gegenüber jeder anderen Website. In einigen Medienhäusern scheint das gerade der Fall zu sein. (pv.ch/RG)

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