Lego Watson

Die Akte Lego

Am Tag vor den Bundesratswahlen sorgt ein Watson-Video für Aufsehen. In einem Stop-Motion-Video mit einem Lego-Setting erklärt die Redaktion den Ablauf der Wahlen. Danach enthüllt persoenlich.com: Es handelt sich um Content Marketing. Nun findet eine hitzige Debatte statt. Hier die Fakten und offene Fragen.

(Bild: watson)

Das sind die Fakten

Watson veröffentlicht am Tag vor den Bundesratswahlen ein Erklär-Video in Form eines Stop-Motion-Clips in einem Lego-Setting. In einer Box rechts vom Artikeln bedankt sich die Redaktion beim Online-Shop Microspot, der die Bausteine zur Verfügung stellte, und dem Legoverein Swisslug, die den Nationalratssaal nachbauten.

Einen Tag später veröffentlicht das Branchen-Portal persoenlich.com ein Interview mit Raphael Bienz, dem CEO der Digital-Agentur BlueGlass. Darin wird klar, dass der Nachbau des Saals Teil einer Kampagne von Microspot ist. Damit will man SEO, also Suchmaschinenoptimierung betreiben, damit Mircospot im Zusammenhang mit Lego auf Google etwa höher gerankt wird.

Im Interview wird aber auch klar, dass kein Geld an Watson floss. Man hat lediglich den Lego-Bau zur Verfügung gestellt, ähnlich wie eine Autofirma ein Auto für eine Testfahrt zur Verfügung stellt. Das Dankeschön kann – mit einem euphemistischen Weltbild – auch als Anstand angesehen werden (was es natürlich nicht ist).

Liest man mit diesem Wissen den Watson-Artikel nochmals genau durch, fällt auf, dass keine werberische Botschaft im Text oder Video enthalten sind. Der einzige Hinweis auf Microspot bleibt die Dankesbox. Logisch, denn es geht nicht darum, ein Produkt konkret zu bewerben, sondern um eine Optimierung der eigenen Website im unübersichtlichen Internet.

Der Auslöser einer Debatte

Dennoch liess sich Journalist und Medienkritiker Christof Moser zu einer provokanten Äusserung auf Facebook und Twitter verleiten:

Seiner Meinung nach hat Watson damit unverschämt Werbung für Microspot betrieben und Journalisten, die das Video weiterverbreiteten hätten sich zu Handlangern der PR gemacht. Kurz darauf häuften sich kritische und zustimmende Reaktionen.

Auf Facebook kündigte Moser an, bei Presserat Beschwerde einzureichen. Watson habe das PR-Verbot verletzt. Infrage kämen hier wohl die Richtlinien 10.1, 10.2 und 10.4.

Die offenen Fragen

Gerade viele Reaktionen auf Mosers Aussage zeigen eines auf: Die werberische Funktion des Artikels ist nicht offensichtlich. «Was wird hier genau beworben?», wird immer wieder gefragt. Das mag für Moser sprechen, aber genauso gut gegen ihn. Denn geworben wird im Artikel eben nicht.

Und so bleiben viele Fragen offen:

Hat sich Watson für Werbung instrumentalisieren lassen? 

Jein. Es ist die Frage, wie sich SEO auf den journalistischen Inhalt auswirkt und wie die allfällige Auswirkung ist. Ein einzelner Link im Watson-Artikel wird Microspot für das SEO wohl wenig Einfluss haben, da sind das Interview auf persoenlich.com und auch dieser Artikel hier vermutlich effektiver.

Ich persönlich sehe keinerlei werberische Botschaft im Watson-Artikel. Der Link zu Microspot soll lediglich dem SEO dienen. Würde man 100 Menschen fragen, wofür im Artikel geworben wird, dann würden wahrscheinlich 99 antworten: «Für Lego.»

Sind alle, die das Video geteilt haben, dämlich?

Nein. Man kann etwas auch einfach teilen, wenn man es amüsant oder erfrischend findet. Zudem machen sich Journalisten tagtäglich der PR in eigener Sache schuldig.

Wie kommt Moser zu seiner Einschätzung?

Meine Vermutung: Es geht hier vielmehr darum, wie Journalistinnen und Journalisten Social Media benutzen. Moser betreibt auf den Plattformen Vollblut-Journalismus. Selten bis nie teilt er mit seinen Freunden und Followern etwa ein lustiges YouTube-Video. Aber seine Annahme, dass das alle gleich handhaben, ist falsch. Jedem ist das selbst überlassen, was er mit diesen Plattformen anstellt, wie er sich positionieren will.

Wie sollten Journalisten auf Social Media interagieren?

Darauf läuft die Diskussion letztendlich hinaus – und gar nicht so sehr, ob Watson hier etwas «Verbotenes» getan hat. Was darf und soll von Medienschaffenden geteilt werden? Wie stellen sie Geteiltes in einen Kontext? Ganz allgemein: Wie viel Spass darf sein?

Am Ende gilt immer noch: Jeder darf mit seinen Profilen machen, was er will. Ob das allen gefällt, spielt keine Rolle

Und David Bauer von der NZZ auf Facebook bemerkte berechtigterweise: «Kritik ist richtig. Aber: All die Interviews, bei denen der Interviewte ein Medium ausgewählt hat, um eine Botschaft zu platzieren und das Medium für die Exklusivität gerne mitspielt – auch Content Marketing?»

Wie wir der Presserat entscheiden? 

Das bleibt abzuwarten. Aber es lohnt sich, die Richtlinien des Presserats durchzulesen und sich selber ein Bild zu machen.