Watson glaubt, dass Watson-Leser wenig bis gar nichts glauben

Im Netz wird darüber debattiert, wie der Journalismus sich zu Websites stellen soll, die alles unternehmen, damit der Leser klickt. Sie werden es nicht glauben, aber auch das AZ-Medien-Portal Watson.ch mischt mit.

Heftig

Rund um die Website Heftig.co hat sich im Netz eine Debatte entzündet. Es wird diskutiert, was das alles mit Journalismus zu tun hat. „Bitte hört auf mit der Prostitution!“, bat beispielsweise Journalist Tobias Gillen:

Wollen wir Qualität oder Quantität? Wollen wir Leser oder schnelle Klicks? Heftig.co wird den Journalismus nicht angreifen, wie von einigen Kollegen in der letzten Zeit ebenfalls befürchtet. Die Seite zeigt uns ganz im Gegenteil, wie wir uns von unjournalistischen Nervportalen abheben können. Eine Frage des Journalismus wird daraus nur, wenn wir dem Clickbaiting-Erfolg hinterherrennen wie ein Eichhörnchen auf Speed seinen Nüssen.

Denn dann laufen wir wirklich Gefahr, uns irgendwann nicht mehr abzuheben. Qualitativ hochwertige Themen finden ihre Leser auch ohne solche Teaser. Und sie werden auch geteilt.

Sie werden es vermutlich überhaupt nicht glauben, aber auch Watson.ch aus dem Hause AZ Medien mischt kräftig mit bei diesem Clickbaiting (Klickködern).

Watson.ch will seine Leser zum Beispiel ständig glauben machen, dass sie einiges ja gar nicht glauben würden. Hier eine Auswahl:

„Sie glauben ja gar nicht, was da für seltsame Materie im Weltall herumschwirrt“
„Sie glauben nicht, was Ihnen blüht, wenn Sie in Dänemark betrunken hinterm Steuer sitzen“
„Sie glauben gar nicht, wie froh diese Kinder und ihre Eltern sind“
„Sie glauben gar nicht, wie unwahrscheinlich zwei Zwillingsgeburten sind“
„Sie glauben ja nicht, wer auch noch keinen Oscar hat“
„Sie glauben niemals, wie Micaela vor ihren OPs ausgesehen hat. Aber Sie vermuten nun bereits was Krasses, denn dieser Titel ist so berechnend wie die Schäfer“
„Sie glauben nicht, was dieser Herr gleich macht, als ein Messer auf ihn zufliegt“
„Wenn Sie glauben, Frauen gamen kaum, liegen Sie falsch“
„Wenn Sie glauben, das sind Fotos, machen Sie sich Illusionen“
„Wenn Sie glauben, dieses Bild sei von Andy Warhol, dann irren Sie sich gewaltig“
„Ob Sie es glauben oder nicht: dieser Ball landet tatsächlich noch im Feld, der Netzkante sei Dank“
„Deutsche Fleischesser könnten die Welt fast im Alleingang retten. Glauben Sie nicht? – Sehen Sie sich das an“
„Hier gibt es sechs Fakten zur Bundesliga-Saison, die Sie kaum glauben können – und mittendrin Ricardo Rodriguez“

Die Debatte wird uns auch noch in Zukunft beschäftigen. Ich prophezeie, dass die Leser von den Jahrmarkt-Schreiern irgendwann einfach nur noch gelangweilt sind. Und am Ende gar nichts mehr klicken. Sie werden es vermutlich überhaupt nicht glauben, aber mir geht es schon länger so.