Wie links können Journalisten sein?

Wer „heute noch von einer linken Mehrheit beim journalistischen Mainstream“ spreche, leide „unter groben Wahrnehmungsstörungen“, schreibt Philipp Löpfe, und konterkariert so die Meinung anderer. Doch sollten Journalisten, statt ewig zu mutmassen, nicht einfach transparent werden?

Wie links können Journalisten sein?
Das Buch „Wie links können Journalisten sein? Pressefreiheit und Profit“ erschien 1972 im rororo-Verlag, mit einem Vorwort von Heinrich Böll.

Die Debatte um die politische Ausrichtung von Journalisten wird erneut lanciert. Philipp Löpfe, Wirtschaftsjournalist des Jahres 2012, sucht in seinem Beitrag „Wo sind die linken Journalisten?“ verzweifelt linke Journalisten in der Schweiz.

Vielleicht ist es eine Frage des Standpunkts. Denn Markus Somm, ein bekennender liberalkonservativer Journalist und Mitglied der FDP, sieht nur linke Journalisten. Er erzählt wie folgt von den Diskussionen, die er mit der Belegschaft der „Basler Zeitung“ hatte, zu der er 2010 als neuer Chefredaktor stiess:

Nachdem ich einige Male erläutert hatte, dass ich mir vor allem mehr Pluralismus in dieser Zeitung wünschte und dass es zu meinen publizistischen Zielen zählte, mehr davon durchzusetzen, wehrten sich einige Journalisten: «Wir sind nicht so einseitig, wie du uns unterstellst. Wir sind nicht alle links!» «Gut», sagte ich und blickte zu Moritz Suter, meinem Chef, der neben mir sass, «dann lasst uns abstimmen: Wer hält den Atomausstieg für richtig?» Rund neunzig Hände gingen in die Höhe. «Wer findet, es sei ein Fehler?» Moritz Suter und ich streckten auf. Neunzig zu zwei. Suter war erschüttert.

Auch auf Twitter wird dazu debattiert:

Wo sich Philipp Löpfe selbst einordnet, bleibt auch nach seinem Artikel unbekannt. Müsste ich ein Urteil abgeben aufgrund der Beiträge, die ich bisher von Löpfe gelesen habe, würde ich sagen, dass er links steht, und eher für staatliche Interventionen ist als für einen allzu unkontrollierten Markt. Aber vielleicht täusche ich mich total, und Löpfe ist einer dieser „Marktradikalen“, von denen Frank A. Meyer in letzter Zeit so gerne spricht, vielleicht ist er sogar ein heimlicher und begeisterter SVP-Wähler! Wer weiss das schon, solange er es nicht transparent macht, bleibt es zu vermuten.

Ich bin davon überzeugt, dass der richtige Weg die Transparenz ist – weshalb ich meine politische Haltung vor einiger Zeit öffentlich gemacht habe, und habe es bisher nicht bereut. Ich lade alle Journalisten ein, diesem Beispiel zu folgen. Mal ehrlich: Bringt es was, ewig darüber zu mutmassen, wer wie links oder wie rechts ist? Journalismus hat doch mit Fakten und Wissen zu tun, nicht mit Raten und Werweissen. Es geht auch gar nicht darum, dass jeder ein Parteibüchlein vorzeigt, sondern einfach um die Öffentlichmachung von Haltungen und Interessen, die für die Konsumenten eines Beitrags von Interesse sind.

Aber sind sie denn nun links oder nicht? Wer weiss, Umfragen zeigen jedenfalls, dass im Vergleich zur Restwählerschaft liberale und konservative Parteien eher wenige Sympathien haben unter Journalisten, die Grünen dagegen viele. Mir scheint, dass viele Journalisten heute etwas orientierungslos sind: Was früher eindeutig das Gute war, nämlich die Opposition gegen einen als repressiv wahrgenommenen Staat, stellt sich heute als eine komplizierte Situation dar. Die Staatsorgane wollen inzwischen nämlich selbst die Guten sein, und überfluten die Journalisten mit den (aus Steuergelder finanzierten) Beweisen dafür.