Wie weiter auf dem Land?

Die Zürcher Impressum-Zentralsektretärin Salva Leutenegger zu den Veränderungen bei den Landzeitungen und den Tagi-Regionalredaktionen. 

Was hat der Kauf der Landzeitungen durch TA-Media für Folgen auf den Redaktionen?
Salva Leutenegger: Was Tamedia als “Aufwertung der regionalen Berichterstattung im Kanton Zürich“ bezeichnet, ist in Wahrheit eine gezielt gewollte Marktbeherrschung, die letztlich der Qualität der Medien schadet und die Vielfalt einschränkt. Die leidtragenden des Deals sind die 37 entlassenen Journalisten und die Leserschaft.
Als Tamedia vor vier Jahren die Lokal-Redaktionen aufbaute, warb man gezielt Journalisten von den drei Landzeitungen ab, um von ihrer Erfahrungen in der Lokalberichterstattung zu profitieren. Das Klima zwischen den Redaktionen war von Konkurrenzdenken geprägt. Und jetzt sollen die ‚Glücklichen‘, die noch einen Job haben, gemeinsam unter dem Tamedia-Dach arbeiten. Dass sich unter diesen Umständen die Zusammenarbeit schwieriger gestalten wird als von der Tamedia-Geschäftsleitung gedacht, dürfte auf der Hand liegen.
Auch die Leserschaft der Zürcher Regionen, die den ‚Tages-Anzeiger‘ und eine Landzeitung abonniert haben, dürften mit der Zeit bemerken, dass vieles aus derselben „Küche“ kommt und sich entsprechend verschaukelt fühlen, was unweigerlich zu Abo-Kündigungen führen wird. Das Gerücht, wonach es eine Frage der Zeit sei, bis die jetzt übernommenen Landzeitungen eingestellt oder mit dem Tagi würden, hielt sich deshalb hartnäckig. Und so kommt es jetzt auch.

Wurde die Bereinigung sorgfältig und sozialverträglich abgewickelt?
Im August führten die Chefredaktoren der betroffenen Redaktionen zusammen mit dem Personaldienst der Tamedia sogenannte „Kennenlern-Gespräche“ mit allen Redaktionsmitgliedern. Ziel dieser Gespräche sollte die Auswahl der Weiterbeschäftigten nach möglichst objektiven Kriterien sein.  Wären die Kriterien tatsächlich objektiv nachvollziehbar gewesen, hätte man sie folglich auch kommunizieren können, nicht wahr? impressum wie auch die betroffenen Mitarbeitenden haben keine Kenntnis davon. Vielmehr muss befürchtet werden, dass nicht Qualität und Qualifikation den Ausschlag gaben, sondern persönliche und von Sympathie geprägte Gründe im Vordergrund standen.
Trotz der Aufforderung von impressum, Sozialplanverhandlungen mit Verbänden und Personalkommissionen zu führen, hat sich Tamedia geweigert sozialpartnerschaftlich aufzutreten. Dies, obwohl impressum letztes Jahr einen wesentlichen Beitrag zu einem fairen Sozialplan für die damals entlassenen Tagi-Mitarbeitenden geleistet hatte. Immerhin haben die per Ende 2010 Gekündigten den letztjährigen Sozialplan mit strukturellen Anpassungen erhalten.
 
Was hast du im Rahmen deiner Kontaktaufnahme für Erlebnisse gemacht?
Die Zeit, in der Entlassungen angekündigt, aber noch nicht ausgesprochen werden, ist für alle Beteiligten die schwierigste. Die Unruhe in den Redaktionen ist verständlicherweise gross. Viele sind verunsichert, schwanken zum Teil mehrmals täglich zwischen Zuversicht, Hoffnung und Angst vor dem Arbeitsplatzverlust hin und her, Existenzängste machen sich bemerkbar. Dieser Zustand belastet nicht nur das Arbeitsklima, sondern lässt auch die Qualität der Arbeit sinken. Das Vertrauen in den Arbeitgeber sowie die Identifikation mit der Zeitung nimmt grossen Schaden. Trotz all dieser Belastungen zeigen sich Medienschaffende in der Regel als sehr widerstandsfähig und beissen sich bis zum Tag X der Kündigungsgespräche durch. Der Gang zum Entlassungsgespräch erscheint vielen schon fast als Erleichterung, weil endlich eine Entscheidung fällt und sie bald  wissen werden, woran sie sind. Im Moment der Kündigung befinden sich einige anfänglich in einem schockähnlichen Zustand. Danach kommt oft die Wut auf den Arbeitgeber sowie die Verletzung wegen der fehlenden Wertschätzung für das jahrelange Engagement . Einige trifft der Verlust der Arbeitstelle so stark, dass sie krank werden. Erstaunlich und gleichzeitig erfreulich ist aber die Tatsache, dass die meisten Journalisten auch nach der Kündigung an den Journalisten-Beruf glauben und alles daran setzen, sich weiterhin auf dem Medienmarkt behaupten zu können.

Interview: Dagmar Appelt
 
Zahlen zu den grossen Kündigungswellen im Kanton Zürich

Tamedia:
– Mai 2009, Tages-Anzeiger, 88 Entlassungen
– Dez. 2009, Einstellung News, 28 Entlassungen
– Sept. 2010, Tagi und Landzeitungen, 37 Entlassungen
 
NZZ:
– Dez. 08, NZZ, 30 Entlassungen
 
.ch:
– Mai 2009, Einstellung .ch, 70 Entlassungen
 
Ringier:
– 2007, Blick und SoBli, 20 Entlassungen
– 2008, verschiedene Redaktionen ZH, 22 Entlassungen
– März 2009, Cash Einstellug, 25 Entlassungen
– Jan. 2010, Newsroom 4 Blicktitel, 40 Entlassungen