Vergangenen Freitag trafen wir Pascal Sigg vom Coup Magazin. Das junge Projekt sammelt via Crowdfunding 50 000 Franken für langen und qualitativen Journalismus. Wir haben nachgefragt.
Foto: Fabian Gruber/kasuma.ch
Restaurant Volkshaus, Freitagnachmittag, 14 Uhr. Kaffee dampft auf den Tischen und Pascal Sigg vom neusten Journalismus-Projekt Coup Magazin fährt sich durch das strohblonde Haar. In genau diesem Moment hat er gemeinsam mit Joel Bedetti und Andres Eberhard rund 14 500 Franken auf wemakeit.ch gesammelt. 35 500 fehlen noch, 20 Tage hat das Trio noch.
«Wir denken, wir auf Kurs sind. Wir geben alles und schlagen uns die Nächte um die Ohren. Aber man kann viel Energie verpuffen, wenn man sich die ganze Zeit mit dieser Unsicherheit auseinandersetzt», sagt Pascal Sigg. «Viele Leute haben Freude am Projekt.»
Fertige Geschichten vs. formbare Ideen
Joel Bedetti (31), Andres Eberhard (32) und Pascal Sigg (32) kannten sich bereits, als sie gemeinsam ein kleines Büro im Hinterhof des Zürcher Volkshauses bezogen. Wo vorher Architekten ihre Bauten planten, schmiedeten die drei Journalisten nun an einem eigenen Projekt. Doch was sollte dieses leisten? Das Trio identifizierte ein konkretes Problem:
«Es gibt zu wenig Raum für längere Geschichten. Klar, es gab mit dem Reportagen Magazin ein kleines Revival, doch es ist nicht leicht, als junger Journalist irgendwo fix unterzukommen.»
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Es gab eine Zeit, da haben Joel, Andres und Pascal intensiv Ideen grossen Redaktionen gepitcht – meist erfolglos: «Es fehlt die Bereitschaft, an Geschichten zu arbeiten. Wenn man mit einer fertigen Story kommt, finden es alle geil. Aber wenn du kommst und sie merken, dass die Geschichte noch zwei Tage Arbeit braucht, macht niemand irgendwas.»
Obwohl das genau die Art von Hilfe ist, die man als Junger brauche, gibt Pascal Sigg zu bedenken. Jemand, der sich mit deiner Idee auseinander setzt und die richtigen, unbequemen Fragen stellt.
«Wir kennen alle die Geschichte: Die Medienkonzentration beschränkt sich auf ein paar wenige Verlage. Die Unternehmen sparen und es fehlen die Mittel, um faire Löhne zu zahlen und eine saubere Ausbildung zu bieten. Ich will damit nicht sagen, dass alles schlecht ist. Es gibt sicher tolle Praktika bei der Tamedia oder der NZZ. Aber es könnte besser sein.»
Das sei einfach das Gesamtbild. Das Coup Magazin will jedoch explizit einen Ort bieten, wo man sich mit längeren Inhalten auseinandersetzen kann. «Die Longform ist etwas, das es im aktuellen politischen und gesellschaftlichen Klima schlicht als Form braucht.»
Jung, digital und monatlich
«Es war für uns schnell klar, dass wir die langen Geschichten für ein junges Publikum digital erzählen wollten. Nicht nur, weil die Jungen halt online lesen, sondern auch, weil sie den Kontakt zu qualitativen Inhalten verlieren.»
Man könnte jetzt sagen, dass die Jungen selbst daran schuld sind. Sie hätten einfach kein Interesse. Sigg widerspricht: «Wir glauben, dass das durchaus mit dem Angebot zu tun hat.»
Aber auch das Angebot an Qualität, welches das Coup Magazin anbieten möchte, ist beschränkt. Geplant ist eine Geschichte pro Monat. Sie wollen sich radikal auf die Qualität beschränken, erklärt Sigg: «Es ist das, was momentan realistisch ist. Es gibt eine grosse Konkurrenz an Content und wir möchten einmal im Monat das Beste rausholen.»
Die Jungen sind interessiert
Kritisch betrachten kann man die Frequenz der Artikel auch hinsichtlich der Leser-Loyalität. Auch hierfür hat Sigg ein passendes Gegenargument parat: «Früher wussten die Magazin-Abonnenten auch nicht, an welchem Tag das neue Magazin im Briefkasten lag. Mit dem Medienwandel gibt es heute so viele Möglichkeiten, die Menschen zu erreichen, wenn sie aufrichtig interessiert sind.»

Und interessiert sind die Jungen gemäss Pascal Sigg. Er arbeitet nebenbei als Englischlehrer an der Berufsschule. «Ich habe mit Informatiker im ersten Lehrjahr eine lange Reportage von David Grann über Frédéric Bourdin gelesen. Die Schüler fanden das genial – in der Länge, im Realitätsbezug. Dort möchten wir mit Coup ansetzen: Aufzeigen, welche Möglichkeiten es gibt, sich mit der Wirklichkeit auseinander zu setzen. Zeigen, dass es Wege gibt, die Komplexität und Widersprüchlichkeit in eine Form zu packen. Klar, es ist schwierig und nicht perfekt.»
Die Geldfrage
Auf der Crowdfunding-Plattform wemakeit.ch sammelt das Journalisten-Gespann 50 000 Franken für ein Jahr. Eine grosse Summe, doch bricht man sie monatlich auf drei Personen runter, bleiben knapp 1400 Franken übrig. Wie verteilt das Coup Magazin seine Mittel?
«Wir können sicherlich nicht 100 Prozent auf das Projekt setzen. Wir haben uns gefragt, wie viel eine Geschichte im Monat – auch mit dem Gedanken, dass wir nicht jede Reportage selber schreiben. Wir haben uns für 2000 bis 2500 Franken pro Geschichte entschieden, was natürlich je nach Aufwand am unteren Limit ist», rechnet Sigg vor.
Natürlich kosten gute Fotos und Illustrationen etwas. Aber das sei es ihnen wert, denn sie möchten möglichst faire Honorare zahlen, führt Sigg aus: «Wir können ja nicht diese Friss-oder-stirb-Haltung haben wie die grossen Verlage.»
Insgesamt lässt sich das Coup Magazin den Journalismus pro Monat gut 4000 Franken kosten. Den Rest wendet das Trio für die technische Infrastruktur auf.
Allerdings ist diese Rechnung noch im Konjunktiv aufgesetzt. Denn erst muss die Crowd die 50 000 tatsächlich für das Projekt aufwenden. Viel Gedanken, was passiert, wenn die Finanzierung nicht zustande kommt, haben sich die drei Männer noch nicht gemacht. «Irgendwie müssen wir es schaffen – auf die eine oder andere Art», meint Sigg zuversichtlich.