«Wir machen Journalismus unterhaltsam»
Was kann Satire? Diese Frage diskutierten wir mit fünf bekannten Schweizer Satirikerinnen und Satirikern. Es war eine angeregte Debatte mit Tiefgang.
Seit Tucholsky diskutieren Generationen die Frage: Was darf Satire? Doch eigentlich müsste man frage, was Satire überhaupt kann. Einverstanden mit dieser Prämisse waren fünf bekannte Satirikerinnen und Satiriker und folgten dem Ruf des Zürcher Pressevereins. Am 3. Oktober lud der ZPV zur Debatte im Impact Hub. Auf dem Sofa unter dem Viaduktbogen liessen sich Patti Basler, Michael Elsener, Dominic Deville, Lisa Catena und Gabriel Vetter nieder. Rund 30 Gäste lauschten, wie sie um eine Antwort auf ebendiese essentielle Frage rangen.
«Es gibt keinen objektiven Journalismus»
Die Ausgangslage für das Podium ist eng verknüpft mit dem sinkenden Vertrauen in den klassischen Journalismus. Gerade in den USA ist seit Monaten ein Phänomen zu beobachten: Immer mehr Menschen fühlen sich durch satirische Show wie «Last Week Tonight With John Oliver» oder «The Daily Show» besser informiert.
Satire sei eben ehrlich, meinte Michael Elsener: «Es gibt keinen objektiven Journalismus.» Sobald ein Mensch dahinter stecke, gäbe automatisch eine Tendenz. Damit war die Instant-Protokollantin Patti Basler nicht einverstanden: «Du verwechselst Objektivität mit Ausgewogenheit.» Die Journalisten könnten ja nichts dafür, wenn eine Partei sich viel besser artikuliere als die andere. Für Lisa Catena ist die Aufgabentrennung klar: «Die Satire kann auf das Werkzeug der Übertreibung zurückgreifen. Der Journalismus soll Fakten liefern.» Dominic Deville brach dann eine Lanze für den Beruf: «Ich glaube, der Journalismus wird diverser.»
«Die Anstalt hat etwas Ganseristisches»
Moderator Jonas Gabrieli bohrte nach: Es gäbe auch Satire, die Fakten liefere. Damit zielte er auf die Formate von John Oliver, Stephen Colbert oder «Die Anstalt» von Max Uthoff und Claus von Wagner. Diese sorgen mit ihren Programmen immer wieder für Furore. Dieses «Aufklärungskabarett» könnte überschätzt sein, meinte Basler. «Die Anstalt kann etwas Ganseristisches bekommen, wenn alles immer eine riesige Verschwörung ist.»
Das ist die Gefahr, wenn man Satire nicht in den richtigen Kontext stellt. «Ein Witz funktioniert nur, wenn man Teile der Realität zuspitzt, überhöht oder weglässt», sagte Gabriel Vetter. Journalismus bildet dabei den Rohstoff, den die Satire dann ausschlachten kann. «Wir machen Journalismus unterhaltsam», sagte Deville.
Satire als Einstiegsdroge
Ausführlich diskutiert wurde auch, ob Satire etwas auslösen kann. Für Dominic Deville war klar: Nein. Obwohl er gerne etwas auslösen würde – eine Staatsaffäre wie Böhmermann in Deutschland etwa. Das sei auch nicht das Ziel, konterte Elsener. Dass Satire wirklich bewege, sei der absolute Ausnahmefall. Catena gab zu, leicht frustriert zu sein, ob der Wirkungslosigkeit. «Wir machen hier gehobene, intelligente Unterhaltung. Wenn Satire nutzen würde, würde sie verboten.»
Basler, ehemalige Lehrerin, hielt dagegen: «Ich habe das Gefühl, ich kann als Satirikerin mehr bei den Menschen bewirken als im Klassenzimmer.» Dass die Menschen plötzlich der Satire mehr vertrauen, habe vielleicht damit zu tun, dass sie eine klare Haltung hat.
Für Vetter reicht die Haltung alleine nicht aus: «Satire ist gut, wenn es diesen kurzen Moment der Verunsicherung gibt.» Erst dann, wenn man an einer fertig geglaubten Meinung, zweifelt, entstünde ein Dialog. «Ich will vor allem stören», provozierte der Schaffhauser.
Einig waren sich alle fünf, dass die Schweiz kein dankbarer Ort für Satire ist. «In der direkten Demokratie ist man ja immer etwas mitschuldig», sagte Basler. Das erschwere die Aufgabe der Satire: Die Mächtigen zu necken.
Trotz der angeregten Debatte: Eine klare Antwort, was Satire nun kann, gab es nicht. Nahe daran war Patti Basler mit ihrer persönlichen Anekdote. Sie habe als junge Frau die Satire nicht verstanden, weshalb sie begann, sich zu informieren: «Satire war meine Einstiegsdroge.»