ZZ-Redaktoren als «soziale Aussenseiter»

Die NZZ blickt zurück auf die Redaktoren in den ersten Jahrzehnten der «Zürcher Zeitung». Der Text von Urs Hafner ist ein Appetitmacher auf das im September erscheinende Buch «Subversion im Satz».
NZZ-Redaktoren

Peter Philipp Wolf, Franz Xaver Bronner, Johann Kaspar Riesbeck, Johann Michael Armbruster – so hiessen die ersten Redaktoren der „Zürcher Zeitung“ um Gründer, Herausgeber und Mitbesitzer Salomon Gessner. Wie im lesenswerten Text von Urs Hafner, der am Samstag in der NZZ-Beilage „Literatur + Kunst“ erschienen ist, zu erfahren ist, waren diese Männer Migranten aus dem „katholisch-fürstlichen Südwesten Deutschlands“:

Die Redaktoren der «Zürcher Zeitung» schlugen sich – frei nach dem Soziologen Karl Mannheim – als «freischwebende» Intellektuelle durchs Leben. Der Aufbau einer bürgerlichen Existenz und die Gründung einer Familie glückten ihnen kaum oder wurden von ihnen gar nicht erst angestrebt. Als Journalisten blieben sie soziale Aussenseiter. Die gute Gesellschaft dürfte mit Herablassung auf die Schreiberlinge geblickt haben, deren Finger mit Tinte und Druckerschwärze verschmiert waren. Doch ihre oft prekäre Lage am gesellschaftlichen Rand erleichterte es ihnen – unterstützt vom renommierten Verlagshaus –, nonkonforme Ansichten zu entwickeln, die dominanten Anschauungen entgegenliefen. Auch wenn sie wenig zu lachen hatten, machten sie doch eine gute, inspirierte, witzige Zeitung.

Man glaubt es ja fast nicht: Ausgerechnet die distinguierte, staatstragende NZZ, von dessen Redaktoren man annimmt, sie würden mit Samthandschuhen tippen und am liebsten unter Ausschluss der Öffentlichkeit arbeiten, wurde von jungen, nonkonformistischen Menschen begründet? Von unangepassten, rebellischen Freaks, auf die die gute Gesellschaft herablassend geblickt hat? Denen nur ein Platz am Rande der Gesellschaft eingeräumt wurde?

Offenbar hatte Hafner Spass bei seiner Recherche. Nur wenig Freude kam jedoch auf, als er das Werk der in der Schweiz migrierten Deutschen mit dem Zustand der heutigen Medien verglich:

Unter widrigen Umständen machten die eigenwilligen Redaktoren ein von subversiven Anspielungen oft sprühendes Blatt, das die ganze damalige, wenn auch durch den Kolonialismus vermittelte Welt im Blick hatte. Öde und gleichförmig dagegen muten viele heutige Titel an: Man könnte meinen, sie verstünden unter Pressefreiheit die Anleitung zum Reproduzieren, Moralisieren, Provinzialisieren.

Das Buch „Subversion im Satz“ über die Anfänge der NZZ wird am 25. September im Verlag NZZ Libro erscheinen. Im Teaser zum Buch heisst es:

Sie waren jung und rebellisch, auf der Flucht und im Gefängnis. Sie trotzten der Zensur, legten sich mit kirchlichen und weltlichen Autoritäten an und hofften auf eine freie und gerechte, auf eine «aufgeklärte» Welt. Sie waren belesen und schrieben Bücher, sie lebten in Not und zweifelten an Gott, sie waren verfemt und zäh. Und sie immigrierten fast alle aus dem katholischen Süddeutschland – die ersten Redaktoren der NZZ.

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