«Der Wind hat gedreht»

Hanspeter Lebrument, Patron der alten Schule aus der Schweizer Ferienecke und Verlegerpräsident, sieht die Pressefreiheit im Land gefährdet. An der Dreikönigstagung von Schweizer Presse plädierte er für starke, unabhängige Medien. Die Schreibenden hat er dabei nicht gemeint.

Nachdem der Südostschweiz-Besitzer am Verlegerkongress im vergangenen September die Journalistinnen und Journalisten ins Visier genommen hatte, war am zweiten Grossanlass des Verlegerverbandes Schweizer Presse die Politik dran. Lebruments Meinung nach sei die Pressefreiheit in der Schweiz gefährdet, liess er die zahlreichen Branchenvertreter hören, die sich auf Einladung des verbandseigenen Medieninstituts zum Jahresbeginn traditionell zum Kuchenessen im Zürcher World Trade Center treffen

Die Wirtschaftskrise, die wachsende Kritik an den Medien und die Konflikte sowie der Konkurrenzkampf zwischen den Verlagen seien ein fruchtbarer Nährboden für die zunehmende Tendenz von Väterchen Staat, in die Belange der Medien einzugreifen. Noch bis vor kurzen sei er von einer gegenteiligen Tendenz ausgegangen, die sich in einem Abbau von unnötigen Regelungen und generell der Liberalisierung offenbarte. «Der Wind hat jedoch gedreht», warnte Lebrument. «Innerhalb weniger Monate hat der Staat in die Medienbranche eingegriffen, wenn auch weniger stark als in der Finanzindustrie.»

Seitenhieb auf Moritz
Seine Worte waren auch ein Seitenhieb auf Moritz Leuenberger. Anhand von drei Beispielen zeigte der oft brummig wirkende Verleger die böse Tendenz der «Rückverstaatlichung» auf. So sei die Frühzustellung der Zeitungen zurück in den Schoss eines Staatsbetriebes gefallen, nachdem die grossen Verlage ihre Aktienmehrheit an die Post verkauft hatten. Die Vergabe der Radio- und TV-Konzessionen durch Leuenbergers Departement sei der andere grosse Sündenfall. De facto würden somit weitere linientreue Staats-Sender geschaffen, die sich nur noch formal in privater Hand befänden. Die konzessionierten Anbieter würden nur noch zwischen einen Geflecht von Regulierungen und gut beobachtet durch die Beamten im Bakom ihrem Geschäften nachgehen können, polterte der Verleger. Dass Lebrument in seinem Heimatkanton Graubünden selbst bei der Vergabe profitierte, blieb bei der Polit-Schelte im Hintergrund.

Weh getan haben muss ihm auch die Medienschelte, die das Zürcher Multitalent Kurt Imhof, sekundiert von den Bundesräten Leuthard und Merz, im Zuge der Affäre Nef/Schmid absonderte. Der Uni-Professor will nun eine Medien-Beobachtungsstelle einrichten, und sähe sie auch gerne von stattlicher Seite finanziert. Die Gründung einer Stiftung stehe bevor. Die Gefahr, dass eine solche Medienbeobachtung durch Imhof und Konsorten zu staatlicher Gängelung führe, blieb für Lebrument keine Fiktion mehr.

Krise erst am Schluss
Erst am Schluss kam Lebrument auf das weit grössere Problem zu reden, die Krise in den Verlagen selbst. Deren Aussichten seien düster bis rabenschwarz. Es fege seit letzten Herbst «ein starker Sturm durch die Branche», der Umsatzeinbrüche, Anzeigenflaute und Personalabbau gebracht habe. Schuld daran seien im Übrigen die Wirtschaftsredaktionen, die tatenlos «dem masslosen Treiben der Wirtschaft» zugesehen und -gearbeitet hätten.

An der Dreikönigstagung traten auch andere karätige Referenten auf: Martin Kall stimmte auf die Sparrunden an der Werdstrasse ein (der Tagi allein soll Gerüchten zufolge 10 Mio. am Redaktionsbudget einsparen). Tobias Trevisan von der FAZ gab Tipps für pfiffige Onlie-Auftritte. Conrad Meyer, NZZ-Verwaltungsratspräsident, griff tief die historische Mottenkiste, um die Stärke der Marke seines Hauses zu erläutern. Und Herbert Bolliger schliesslich, Migros-Chef und Gross-Werbeauftraggeber, tönte mit Blick auf Konkurrent Coop an, warum es künftig viel weniger Werbemillionen gäbe. Das Geld braucht Bolliger, um die Preise für Waschmittel zu senken. Kränkelnde Verlage, die zu wenig Schweinebauch-Inserate bekommen hätten, mögen sich beim Kultur-Prozent melden, riet der hemsärmelige Migros-Chef. (pv.ch)Lebrument_01.jpg

Hanspeter Lebrument