Die Supereditoren von Storyfilter

Mit Storyfilter.com geht eine neue Website online, die auf Links und Kuratoren setzt. Hinter dem Projekt steht mit Bernhard Brechbühl ein ehemaliger Mitarbeiter der „20-Minuten“-Chefredaktion. Tamedia versucht es derweil mit einem „Beirat für digitale Entwicklung“.

Storyfilter

Buzzfeed ist derzeit in aller Munde, nicht wenige glauben ernsthaft daran, dass das die Zukunft des Journalismus ist. Kurze Sätze, sexy Bilder, heisse Themen, oder, wie es bei Buzzfeed heisst: LOL, WIN, OMG, FAIL, CUTE, TRASHY, WTF! Auf Buzzfeed gibt es durchaus Beiträge, die Gehalt haben und über Qualitäten verfügen, die über den Klickfaktor hinausgehen. Doch nicht sehr überraschend ist die Website, die gerne mit Boulevard-Inhalten und Listen operiert sowie Werbung und Inhalte munter mischt, ein Klickwinner. Die Zukunft des Journalismus? Oder die Zukunft einer ziemlich seelenlosen Content-Industrie?

Während so mancher Zeitungsmanager davon träumt, ein Millioneneinnahmen erzeugendes, eigenes Buzzfeed zu gründen, sind es dann meistens die Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen, welche Neues wagen. Seit eine Machtprobe den Abgang von 20min.ch-Chefredaktor Hansi Voigt verursacht hatte und später Ex-Newsnet-Chefredaktor Peter Wälty zu 20min.ch zurückkehrte, ist dort ein Rückgang an gehaltvollem Journalismus sowie eine Zunahme von Boulevardinhalten zu beobachten – natürlich auch eine Zunahme der Klicks. Doch die 20min.ch-Mitarbeiter scheinen auf so einen Kurs keine Lust zu haben und verlassen das Boot in Scharen, vielleicht, weil sie sich als Journalisten sehen? „40 von 64 Online-Journalisten haben gekündigt“, schrieb die NZZ am Sonntag und sprach von einem Exodus. Wohin des Weges?

Dass bei einem Medienprodukt so viele Journalisten in so kurzer Zeit davonlaufen, ist in der jüngeren Schweizer Mediengeschichte aussergewöhnlich. (…) Besonders an der Situation bei «20 Minuten» ist aber nicht nur, dass viele Journalisten gehen, sondern auch, dass ein wesentlicher Teil zum selben Arbeitgeber wechselt: zum sich noch im Aufbau befindenden Online-Portal «Watson» von Hansi Voigt.

Neben dem nach wie vor geheimnisumwitterten Projekt von Voigt, über das nächstens informiert werden soll, ist heute um 14 Uhr Storyfilter.com online gegangen, ein Projekt des 36-jährigen Bernhard Brechbühl, der noch vor Kurzem Teil der „20-Minuten“-Chefredaktion war. Gemäss Eigenbeschreibung stellt sich Storyfilter in die Content-Flut und filtert Nuggets für die Leser aus dem doch recht unübersichtlichen Internet. Zu Beginn wurden gleich mal ein paar Super-Redaktoren (editor = Redaktor) erkoren:

Supereditoren

Mit Voigt und Brechbühl verlassen also zwei verdiente Mitarbeiter Tamedia, um ihr Glück auf eigene Faust zu versuchen. Offenbar hatte die Unternehmensleitung kein Vertrauen in ihre Pläne, die sie sicher auch mit dem Geld von Tamedia umgesetzt hätten. Na vielleicht haben die Medienmanager selbst höchstkreative Pläne, in die lieber investieren? Wir werden es sehen. Tamedia-Verleger Pietro Supino leistet sich nun einen „Beirat für digitale Entwicklung“, vielleicht kommt da ein richtiger Knaller raus:

Die folgenden Persönlichkeiten gehören dem Beirat an: Markus Gross, Professor für digitale Medientechnologie an der ETH Zürich und Direktor von Disney Research Zurich, Mathias Müller von Blumencron, Chefredaktor Digitale Medien «Frankfurter Allgemeine Zeitung» und früherer Co-Chefredaktor «Der Spiegel», Sverre Munck, ehemaliger stellvertretender Vorsitzender der Unternehmensleitung und Verantwortlicher für Strategie und internationale Medien bei der norwegischen Schibsted Media Group und Thomas Sterchi, unter anderem Gründer des führenden Schweizer Jobportals jobs.ch, welches heute Tamedia und Ringier gehört.

Ich zweifle daran: Wer höchstkreative Pläne hat, verwirklicht sie und belastet nicht sich, andere und das Unternehmensbudget mit drei weiteren Sitzungen pro Jahr. Ausserdem ist Tamedia in den letzten Jahren nicht durch bahnbrechende Eigenentwicklungen aufgefallen, sondern hat lieber Funktionierendes (sprich: Geld abwerfendes) eingekauft. Aber wie gesagt: Wir werden sehen.

Interview mit Bernhard Brechbühl (persoenlich.com)