Eule der Minerva

Die Aktionäre der AG für die Neue Zürcher Zeitung gelten als ebenso freisinnig wie genügsam. Als Naturaldividende gab es an der diesjährigen Generalversammlung anregende Worte vom neuen Chefredaktor und dem Professor, der den Verwaltungsrat präsidiert. Das Menu kreierte André Jäger von der Fischerzunft Schaffhausen.

Einige Hundert Teilhaber der NZZ fanden am vergangenen Samstag den Weg in das Zürcher Kongresshaus, vorwiegend ältere Herren, dazu viel Politprominenz aus dem Freisinn sowie einige zugewandte Wirtschaftskapitäne. Sie vernahmen vom schwierigen Umfeld und dem Zeitgeist, der dem 227 Jahre alten Medienunternehmen schon länger nicht wirklich gewogen ist. Dennoch sieht die Bilanz besser aus, als auch schon. Die Dividende erhöhten sich die NZZ-Aktionäre grosszügig von 300 auf 500 Franken, nachdem in mageren Vorjahren auch schon selbstlos auf den Aktionärslohn verzichtet wurde.

Wichtiger als das Geld ist aber die Generalversammlung selbst, wo man sehen und gesehen werden will. Verwaltungsratspräsident Conrad Meyer bemühte in seiner Tischrede Hegels „Eule der Minerva“. Wie diese würde auch die NZZ mit scharfem Blick durch die Dämmerung fliegen, sagte der Controlling-Professor der Uni Zürich. Dazu gab es „Lauwarmer Pfefferlachs mit Kartoffel-Lauch-Risotto und sanft gebratenes Kalbsmedaillon mit Frühlingsgemüse und Amandine-Kartoffel mit Trüffel-Jus“. In seiner ersten Ansprache vor dem Aktionariat philosophierte Markus Spillmann über die tiefe Wahlbeteiligung des Stimmvolks und die Qualitäten von Regierung und Volksvertretern. Auch er warf angejahrte Zitate in den Raum: „Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient“ (Maiziere, um 1780). Dem höflichen Applaus nach hat der junge Chefredaktor die Aufgabe bestanden. Dann ging es über zu „Braisierte Cayenne-Ananas mit Tahiti-Vaniille und Curry-Ingwer-Eis“.

Dass der Anlass, zu dem auch die aktiven und ehemaligen Redaktoren geladen sind, exklusiv bleibt, dafür sorgt der Aktienkurs. Im ausserbörslichen Kurstableau steht eine NZZ-Aktie derzeit bei rund 75000 Franken. Allerdings ist die früher strenge Gesinnungsprüfung für die Aufnahme ins Aktienregister einem vereinfachten summarischen Verfahren gewichen. Genügsamkeit, freisinniger Geist und ein gewisses Alter sind aber nach wie von Vorteil. „Wenn die Philosophie ihr Grau in Grau malt, dann ist eine Gestalt des Lebens alt geworden“, schrieb Georg Wilhelm Friedrich Hegel 1820 in seiner Philosphie des Rechts – und meinte wohl nicht die NZZ, die damals so alt war wie ihr Chefredaktor heute. (pv.ch)

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