Medienkonzerne und Marktabsprachen

Christian Müller, ehemaliger Unternehmensleiter der Vogt-Schild Medien AG, kritisiert das Verhalten der Schweizer Medienkonzerne. Die freie Marktwirtschaft in der Presselandschaft werde gezielt ausgehebelt.

Christian Müller auf einer ganz persönlich gestalteten "Solothurner Zeitung" aus dem Jahr 2009
Bild: Christian Müller auf einer ganz persönlich gestalteten „Solothurner Zeitung“ aus dem Jahr 2009 (die ganze Titelseite auf commwork.ch als PDF-Datei)

Bis 2009 war Christian Müller CEO der Vogt-Schild Medien Gruppe (Solothurner Zeitung, Grenchner Tagblatt, Langenthaler Tagblatt, Berner Rundschau). Dann wurde der Verlag aufgekauft von den AZ Medien. Seither ist Müller offiziell pensioniert, was einen Journalist aber natürlich nicht vom Schreiben abhält (weiterhin aktiv ist er auch im Bereich des „Communication and Publishing Consulting“, mehr auf commwork.ch).

Auf infosperber.ch schrieb er am Freitag einen lesenswerten Text zur Entwicklung der Besitzverhältnisse in der Schweizer Presselandschaft. Den Grossverlagen wirft er vor, Märkte aufzukaufen und somit den Markt auszuschalten. Dieses Verhalten hätten sie bei den Grosskonzernen abgeschaut und praktizierten es nun im Kleinen.

Es gebe aber auch noch eine zweite, billigere Variante. Die Aufteilung der Märkte durch Absprachen:

Eklatantestes Beispiel (neben Dutzenden anderen): Bis etwa 2005 kämpften im Grossraum Zürich/Nordostschweiz die Verlage NZZ (mit NZZ und St. Galler Tagblatt), Tamedia (TagesAnzeiger), Zürichsee-Zeitung, Landbote (Winterthur) und Thurgauer Zeitung um die Gunst der Leserinnen und Leser. Dann kam die Thurgauer Zeitung per Verkauf an die Tamedia. Doch der (teure) Kampf und die Leser und Leserinnen blieb. Bis 2010 auch die Zürichsee Zeitung zum Verkauf kam. Jetzt setzten sich die NZZ und die Tamedia zusammen und zogen auf der Landkarte die Striche. Die Zürichsee Zeitung, an der die NZZ bereits beteiligt war, ging an die Tamedia, dafür übergab die Tamedia die ihr gehörende Thurgauer Zeitung der NZZ, um sie mit dem St. Galler Tagblatt zusammenlegen zu können. Eine klassische Marktabsprache. Mit Millionengewinnen auf beiden Seiten. Wo keine Konkurrenz mehr ist, muss man auch weniger bieten, sprich: es können Journalisten und Journalistinnen, Redaktoren und anderes Personal eingespart werden, es können Marketing-Kosten eingespart werden, die Umfänge können reduziert werden, die Distribution wird einfacher. Dafür können die Abo-Preise und die Anzeigenpreise ohne Gefahr erhöht werden.

Klar, warum sollen Schweizer Medienkonzerne nicht tun dürfen, was die Globalplayers weltweit schon lange tun, räumt Müller ein. Trotzdem bleibt ein ungutes Gefühl:

Denn in allen Tageszeitungen der NZZ-Gruppe, der Tamedia und der Aargauer Zeitung kann man täglich lesen, dass der freie Markt die Basis unseres Wohlstandes ist und dass der Staat sich ja nicht erdreisten solle, diesen freien Markt in irgend einer Form zu regulieren. Wo sie doch alle sehr genau wissen, dass das grosse Geld nicht dort fliesst, wo es einen freien Markt (noch) gibt, sondern da, wo es den Marktbeteiligten gelungen ist, ihn – auf welche Weise auch immer – auszuschalten.

„Schweizer Medien-Konzerne agieren doppelzüngig“
(infosperber.ch, Christian Müller)